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Artenschutz

Neben ihrer hohen Relevanz für die Speicherung von Kohlenstoff haben Moore eine zentrale Bedeutung als Lebensräume für hochspezialisierte Pflanzen- und Tierarten.

Bei intakten Mooren handelt es sich um Extremstandorte, mit hohen Moorwasserständen (Moorwasserstand = Wasserstand im Moor relativ zur Bodenoberfläche [6]). Es sind Standorte, auf welchen nur speziell angepasste Pflanzen- und Tierarten überlebensfähig sind. Naturnahe Hochmoore stellen Extremlebensräume dar, welche zumeist baumfrei sind und je nach Ausdehnung große Offenlandschaften bilden können. Große Nährstoffarmut, Acidität, geringe Ionenkonzentration im Wasser und starke Temperaturschwankungen zeichnen diesen Lebensraum aus [1]. Die Artenvielfalt dieser Ökosysteme ist gering, da nur wenige spezialisierte Arten unter solchen Lebensbedingungen existieren können. Für diese Arten sind die einzigartigen Hochmoorlebensräume jedoch existenziell und unersetzbar. Niedermoore hingegen werden von sehr unterschiedlichen Bedingungen geprägt, welche sowohl spezialisierten Arten als auch Generalisten eine Vielzahl an Lebensräumen bieten. Daher sind Niedermoore teils durch eine hohe Artenvielfalt charakterisiert [1].

Aufgrund großflächiger Entwässerungen und Torfabbau, intensiver landwirtschaftlicher Nutzung sowie fortschreitender Siedlungsentwicklung wurde die Fläche der Hoch- und Niedermoore in Niedersachsen fortlaufend reduziert. Diese Entwicklung ist begleitet vom Verlust vieler Populationen heute seltener und gefährdeter Arten. Am stärksten gefährdet sind Arten intakter Hochmoore, nährstoffarmer Nieder- und Übergangsmoore sowie des extensiv genutzten Moorgrünlands [4].

Das erschreckende Ausmaß des Artensterbens, welches sich unter anderem in den Mooren direkt vor unserer Haustür abspielt, wird auf globaler Ebene im Bericht des Weltbiodiversitätsrats IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services)  auf mindestens zehn- bis einhundertmal höher als im Durchschnitt der letzten zehn Millionen Jahre beziffert [2].

Hoch- und Niedermoore (inklusive degradierter Ausprägungen) nehmen einen Anteil von etwa 8 % der Landfläche Niedersachsens ein [3]. Damit trägt Niedersachsen eine besondere Verantwortung für den Schutz, den Erhalt und die Entwicklung von Moorlebensräumen und deren Funktion als Refugium für moortypische Arten.

Die Karte Moortypische Arten gibt einen Überblick über deren Vorkommen in Niedersachsen. Ohne eine entsprechende Datenbasis ist die Erstellung einer solchen Karte und ein gezielter Artenschutz nicht möglich. Mit Hilfe der Arten-Erfassungsprogramme in Niedersachsen können Aussagen zu Vorkommen, Verbreitung und Gefährdung von Arten getroffen werden. Über das Niedersächsische Webbasierte Artenerfassungs-Portal (NIWAP) können Sie ihre Meldungen von Arten verschiedener Gruppen direkt in die Landes-Datenbank der niedersächsischen Artenerfassungsprogramme eingeben. 

Rechtlicher Hintergrund und Zielsetzung

Das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) definiert in §37 die Aufgabe des Artenschutzes wie folgt: "Der Artenschutz umfasst den Schutz der Tiere und Pflanzen wild lebender Arten und ihrer Lebensgemeinschaften vor Beeinträchtigungen durch den Menschen und die Gewährleistung ihrer sonstigen Lebensbedingungen, den Schutz der Lebensstätten und Biotope der wild lebenden Tier- und Pflanzenarten sowie die Wiederansiedlung von Tieren und Pflanzen verdrängter wild lebender Arten in geeigneten Biotopen innerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets."

Geschützt sind alle einheimischen Pflanzen- und Tierarten, allerdings nur vor mutwilligen oder ohne vernünftigen Grund vorgenommenen Schädigungen und Störungen. Dabei unterscheidet der Schutz nach den bundes- und europarechtlichen Vorgaben grundsätzlich zwischen dem allgemeinen und dem besonderen Artenschutz. Als Grund- bzw. Mindestschutz finden sich zum allgemeinen Artenschutz für alle wildlebenden Tier- und Pflanzenarten im BNatSchG eine Reihe von Verbotsvorschriften (vgl. BNatSchG § 39 bis § 43). Es liegt auf der Hand, dass dieser allgemeine Artenschutz angesichts der realen Gefährdung vieler Arten nicht ausreichen kann. Denn die wenigsten Schädigungen und Störungen wildlebender Pflanzen und Tiere sowie ihrer Wuchsorte und Lebensstätten erfolgt mutwillig oder ohne vernünftigen Grund. Deshalb gibt es mit den Vorschriften des § 44 Abs. 1 BNatSchG auch den besonderen Artschutz.

Die Vorschriften des § 44 Abs. 1 BNatSchG verbieten auch solche Handlungen, die nicht mutwillig vorgenommen werden oder für die ein vernünftiger Grund vorgebracht werden kann. Auf die Erfüllung subjektiver Tatbestandsmerkmale wie „willentlich“, „absichtlich“, „vorsätzlich“ oder „fahrlässig“ kommt es im Rahmen des § 44 Abs. 1 BNatSchG 44 nicht an. Diese Verbote schließen auch solche Schädigungen und Störungen ein, die als Folgen einer Handlung vorhergesehen werden konnten, also wissentlich in Kauf genommen werden.

Die Schädigungs- und Störungsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG 44 gelten keineswegs nur in den Schutzgebieten sondern in der gesamten Landschaft. Diese sogenannten Zugriffsverbote sind allerdings auf den Schutz besonders und streng geschützter Arten beschränkt. Welche Arten besonders oder streng geschützt sind, ergibt sich aus § 7 Abs. 2 Nr. 13 und 14 BNatSchG.

Besonders geschützt sind:

  • Arten der Anhänge A oder B der EU-Artenschutzverordnung (EG-Verordnung 338/97)
  • Arten des Anhanges IV der FFH-Richtlinie
  • alle europäischen Vogelarten (nach Art. 1 der EU-Vogelschutzrichtlinie)
  • Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Abs. 1 BNatSchG aufgeführt sein sollten

Streng geschützte Arten sind eine Teilmenge der besonders geschützten Arten, und zwar:

  • Arten des Anhanges A der EU-Artenschutzverordnung (EG-Verordnung 338/97)
  • Arten des Anhanges IV der FFH-Richtlinie
  • Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Abs. 2 BNatSchG aufgeführt sein sollten

In Niedersachsen gibt es 1.689 besonders oder streng geschützte Arten aus 19 Artengruppen. Dies sind weniger als 5 % der hier heimischen Arten. Die Fachbehörde für Naturschutz hat ein Verzeichnis dieser Arten erstellt. Es soll zum Schutz dieser Arten beitragen und die Entscheidung erleichtern, welche Arten im Einzelfall zu erfassen und in eine entsprechende artenschutzrechtliche Prüfung (siehe Artenschutzrechtliche Prüfung der Schädigungs- und Störungsverbote des § 44 BNatSchG | Nds. Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (niedersachsen.de)) einzubeziehen sind. Unter folgendem Link ist das aktuelle Verzeichnis besonders und streng geschützter Arten hinterlegt : Verzeichnis der in Niedersachsen besonders oder streng geschützten Arten | Nds. Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz

Nicht alle diese Arten sind auch im Sinne der Roten Listen gefährdete Arten (z. B. sind alle europäischen Vogelarten besonders geschützt). Umgekehrt zählen nicht alle Rote-Liste-Arten zu den besonders geschützten Arten.

Gefährdete Tier- und Pflanzenarten mit Bindung an den Lebensraum Moor

Rote Listen sind Verzeichnisse ausgestorbener, verschollener und gefährdeter Tier- und Pflanzenarten. Diese Listen dienen der Information der Öffentlichkeit über die Gefährdungssituation der Arten, zeigen Handlungsbedarf im Naturschutz auf und sind Datenquelle u.a. für nationale Rote Listen. Der NLWKN ist als Fachbehörde für Naturschutz gem. § 2b NNatSchG für die Erstellung der Roten Listen in Niedersachsen zuständig. Die offiziellen Roten Listen werden vom NLWKN herausgegeben und erscheinen in der Regel im Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen.

Viele moortypische Tier- und Pflanzenarten sind durch Bestandsrückgänge gefährdet oder vom Aussterben bedroht und stehen daher auf den Roten Listen. Die Karte „Bedrohte Moortypische Artenbietet einen räumlichen Überblick über die Verteilung und das Vorkommen moortypischer Rote-Liste-Arten.

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Rote Liste Moorarten der Fauna
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Rote Liste Moorarten der Flora
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Gebietsfremde der Moore

Neobiota sind Tier- oder Pflanzenarten, die von Natur aus nicht in Deutschland vorkommen, sondern erst durch den Einfluss des Menschen hierher gelangt sind und unter Umständen einheimische Arten verdrängen und damit gefährden. Solche Arten, welche als besondere Gefahr für einheimische Arten und die biologische Vielfalt eingestuft werden, gelten als „invasiv“.

Ausblick

In der NML-Kulisse weisen mehr als 80 % der Moorflächen Nutzungen  wie Acker, Grünland, Bodenabbau und Siedlung/Verkehr unterschiedlicher Intensität auf [3]. Aufgrund der Zerstörung von Moorlebensräumen in den letzten Jahrhunderten gibt es in Niedersachsen mit Ausnahme weniger naturnaher Hochmoorflächen (landesweit etwa 1.000 ha) sowie vereinzelter naturnaher Birken- und Erlen-Bruchwälder, Seggenrieder und Schilfröhrichte auf Niedermoor, keine intakten Moore mehr. Diese vereinzelten Flächen bilden die Kernflächen wertvoller Moorkomplexe, sind unverzichtbarer Lebensraum und auch Genpool für moortypische Tier- und Pflanzenarten [3].

Der Verlust von Hochmoorlebensräumen, welche einzigartig sind und somit durch keine Ausgleichsbiotope im Sinne von „ökologischem Ersatz“ zu substituieren sind, führt zum direkten Rückgang oder gar Aussterben der hochspezialisierten Hochmoor-Arten. In sekundär entstandenen Lebensräumen vor allem in durch bäuerlichen Torfstich geprägten kleinflächig strukturierten Gebieten fügten sich teils neue Lebensgemeinschaften ein, auf welche es bei Renaturierungsmaßnahmen zu achten gilt. Nur etwa 26 % der Hochmoore und rd. 5 % der Niedermoore werden als naturnah oder weitgehend ungenutzt und degeneriert eingestuft [3]. Daher gilt es, durch Flächenerwerb sowie wasserbauliche und landschaftspflegerische Maßnahmen, u. a. diese ungenutzten Moore als Lebensraum für moortypische Tier- und Pflanzenarten (weiter) zu entwickeln [3]. Nur durch nachhaltige Wiedervernässungen mit einem langfristigen Management kann die stark bedrohte Pflanzen- und Tierwelt dieser Lebensräume erhalten bleiben und ein weiterer Schwund bzw. ein weiteres Aussterben dieser Arten verhindert werden. 

Literatur

[1] Göttlich, K. (1990). Moor- und Torfkunde. Stuttgart: Schweizerbart´sche Verlagsbuchhandlung.

[2] IPBES. (2019). Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger des Globalen IPBES-Assessments der Biologischen Vielfalt und Ökosystemleistungen. Bonn.

[3] Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz. (2016). Programm Niedersächische Moorlandshaften.

[4] Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz (Hrsg.). (2016). Programm Niedersächsische Moorlandschaften. Grundlagen, Ziele, Umsetzung. Hannover.

[5] Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz (Hrsg.). (2021). Niedersächsisches Landschaftsprogramm. Hannover.

[6] Tiemeyer, B., Bechtold, M., Belting, S., Freibauer, A., Förster, C., Schubert, E. et al. (2017). Moorschutz in Deutschland - Optimierung des Moormanagements in Hinblick auf den Schutz der Biodiversität und der Ökosystemleistungen. Bewertungsinstrumente und Erhebung von Indikatoren (BfN-Skripten). Bonn - Bad Godesberg.

NLWKN: Lennard Heidberg (2023)