Vom Objektschutz bis zur Wiedervernässung für Renaturierung und Klimaschutz
Im 19. Jahrhundert wurde der Wert der Moore in ihrem Naturzustand von der Bevölkerung nicht besonders hoch geschätzt. Man betrachtete naturnahe Moore vielmehr als lebensfeindliche und entwicklungshemmende Umgebung. Demgemäß gab es auch nur wenig Verständnis für Forderungen, Moore in ihrem natürlichen bzw. naturnahen Zustand zu erhalten und zu schützen. Politisches und wirtschaftliches Ziel war es, die Moorlandschaften einer landwirtschaftlichen Nutzung zuzuführen und sie (zumindest in den Randbereichen) zu besiedeln. Dennoch gab es auch Schutzbestrebungen; so wurde 1846 erstmals bei einer Protestaktion gegen eine Moorkultivierung der Begriff „Moorschutz“ verwendet.
1898 wurde vom Landtagsabgeordneten, dem Breslauer Oberlehrer Wilhelm WETEKAMP, im Preußischen Abgeordnetenhaus die Vergabe von Gutachten gefordert, die den Schutz besonderer „Naturdenkmäler“ untersuchen und ein System von Schutzgebieten nach dem Vorbild der amerikanischen Nationalparks entwickeln sollten. Unter den aufgeforderten Wissenschaftlern befand sich auch der Moorbotaniker C.A. WEBER von der Moor-Versuchsstation in Bremen. 1901 veröffentlichte WEBER die Schrift „Über die Erhaltung von Mooren und Heiden Norddeutschlands im Naturzustande“ (WEBER, C.A. 1901). Doch die Bemühungen hatten wenig Erfolg. Neben der Erhaltung einiger weniger Moore, wurde von ihm vorgeschlagen, auch die Wiederherstellung größerer Moorkomplexe durch Aufgabe von Nutzung und von Entwässerung zu erreichen.
Abb.1 Eine der letzten ursprünglichen, naturnahen Hochmoorflächen im Landkreis Rotenburg. Durch das Moorschutzprogramm vor Eingriffen geschützt und als Naturschutzgebiet ausgewiesen (Moor Nr.: 624; Foto: Schmatzler).
Für den Erhalt der Moore in Niedersachsen schlug er die Hochmoore Ahlen-Falkenberger Moor (Moor Nr. 826) und das Brockenmoor bei Torfhaus im Harz vor. Die seinerzeit schon seltenen Moorpflanzen, wie die Blumenbinse (Scheuchzeria palustris), die Schlammsegge (Carex limosa) und die Zwergbirke (Betula nana), sollten dort geschützt werden.
1914 lagen eine Vielzahl von Gesetzen zur Moornutzung vor. Dies war Grund für die Staatliche Stelle für Naturdenkmalpflege in Berlin eine Moorschutz-Konferenz abzuhalten. In der dafür von Hugo Conwentz verfassten Denkschrift „Über die Notwendigkeit der Schaffung von Moorschutzgebieten“ wurde die Sicherung der Moore durch hierfür eigens ausgewiesene Schutzgebiete gefordert. Die Forderungen hatten keinen Erfolg. Die Schutzvorschläge wurden nicht aufgegriffen.
Erste Moor- Naturschutzgebiete in Niedersachsen
Der Naturschutz in Mooren beschränkte sich zu Beginn des 20. Jahrhundert zunächst lediglich auf einzelne Strukturen oder Arten und den Erhalt, die Förderung und Entwicklung von Pflanzen- und Tiergemeinschaften. So wollte man die letzten Reste unberührter Naturlandschaften erhalten [2]. Auch in Niedersachsen startete ein erster Moorschutz auf kleinen, wenige Hektar großen Flächen. Die Schutzgebiete waren wertvolle Einzelerscheinungen, Objekte und Besonderheiten, wie diese Beispiele geschützter Landschaftselemente aus den niedersächsischen Hochmooren zeigen:
Moorkolke: Das „Lengener Meer“ mit benachbarten kleineren Kolken (Moor Nr. 370 G), die „Fünf Seen“ im Ahlen-Falkenberger Moor (Moor Nr. 826), der „Muswillen See“ im Bissendorfer Moor (Moor Nr. 58), das „Ewige Meer“ (Moor Nr. 385) und der „Bülter See“ (Moor Nr. 578).
Pflanzenstandorte: Die Gagelgebüsche (Myrica gale) im Lohner Moor (Moor Nr. 243 B), die Moltebeere (Rubus chamaemorus) im Ipweger Moor (Moor Nr. 431 A), die Zwergbirke (Betula nana) im Harz und bei Schafwedel und der Sumpfporst (Ledum palustre), beide im Landkreis Lüneburg.
Brutplätze: Die Vogelwelt war die seinerzeit am besten bekannte Tiergruppe. So wurden im Neustädter Moor (Moor Nr. 11C) und im Dörgener Moor (Moor Nr. 172) die Brutplätze des Goldregenpfeifers unter Schutz gestellt.
Im Jahr 1940 waren das Lengener Meer im Stapeler Moor (Moor Nr. 370 G) als Naturschutzgebiet, Ende des II. Weltkrieges das Ewige Meer (Moor Nr. 385) nördlich von Aurich mit Randzone ausgewiesen worden. Auch in der Esterweger Dose (Moor Nr. 272 B) war ein 120 ha großer Ausschnitt mit Moorkolken als Schutzgebiet ausgewiesen.
Wie die Entwicklung dieser meist lediglich kleinen Moorausschnitte bis heute aussehen würde, macht das NSG „Meerkolk“ (Moor Nr. 873C) deutlich: Der Moorkolk ragt über mehrere Meter über der umliegenden Gegend aus der intensiv genutzten Agrarfläche aus Sandmischkulturen heraus. Die Moorflächen wurden rundum abgetorft. Erst später begann man - anstelle einzelner Arten oder Landschaftsstrukturen - ganze Ökosysteme mit seinen Lebensräumen und Lebensgemeinschaften zu schützen, als man deren Bedeutung für die Eigenregulation der Moore erkannte (s. Kap. 3 Bedeutung d. Moore f. Natur + Landschaft). Eine erste großflächigere Schutzgebietsausweisung wurde 1962/63 von Preising indiziert und ausgewiesen [13].
Anfang der 70er Jahre forderten verschiedene Nichtregierungsorganisationen wie die Faunistische Arbeitsgemeinschaft Moore (FAM, heute Bestandteil des BUND) und die Deutsche Gesellschaft für Moor- und Torfkunde (DGMT) e.V. mehr Anstrengungen zum Naturschutz und zu einer schonenderen Landnutzung in Mooren [7]. In den 1970er Jahren kam es dann nach über hundertjähriger staatlicher Förderung von Entwässerung, Abbau, Kultivierung und Besiedlung der Hochmoore, durch das „Bodenabbaugesetz“ (Niedersächsische Landesregierung 1972) zu dem lang geforderten Schutz von Moorflächen [4]. Durch die Ausweisung der „Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung“ nach der Konvention von Ramsar 1971, wurden in Niedersachsen Moore großflächig gemeldet und als Naturschutzgebiete ausgewiesen [15]. Zählte OVERBECK in seiner „Moorkunde“ 1975 noch 25 Hochmoor-Schutzgebiete für Niedersachsen auf, standen 1978 70 Hochmoorflächen mit einer Gesamtgröße von rd. 6.000 ha unter Naturschutz [13].
Im Jahr 1977 gründete sich durch Erlass des damals für Naturschutz zuständigen Landwirtschaftsministeriums der Arbeitskreis „Moornutzung – Landespflege“, bestehend aus Vertretern des Niedersächsischen Landesamtes für Bodenforschung sowie des Naturschutzdezernates aus dem Niedersächsischen Landesverwaltungsamt. Der Arbeitskreis sollte Vorschläge erarbeiten, die zur Lösung zunehmender Konflikte zwischen Torfabbau und Naturschutz beitragen sollten. Als Arbeitsgrundlage hierfür wurde unter Mitwirkung des Arbeitskreises eine bodenkundliche und naturschutzfachliche Bestandsaufnahme der Hochmoore erarbeitet. Zu diesem Zweck wurden alle Hochmoore Niedersachsens (ca. 2.500 km²) kartiert und bewertet [7]. Ein erstes Merkblatt zum Schutz der Niedersächsischen Moore des Naturschutzdezernates erschien 1978 und machte auf die Bedeutung und den Schutz der Hochmoore aufmerksam.
Niedersächsisches Moorschutzprogramm
Der Schutz naturnaher Hochmoore trat in den 1980er Jahren in den Vordergrund. Nach Vorlage des Forschungsvorhabens zur Abbauwürdigkeit und Schutzwürdigkeit der niedersächsischen Torflagerstätten [1], wurde kurz darauf das Niedersächsische Moorschutzprogramm aufgelegt und das Niedersächsische Naturschutzgesetz (NNatschG) in Kraft gesetzt. Der Fokus des 1981 aufgesetzten Moorschutzprogramms (Niedersächsischer Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 1981) lag dabei auf den 88 Hochmooren des Flachlandes, die als Torflagerstätten, aber auch für den Naturschutz von besonderer Bedeutung waren [5]. Mit der im Niedersächsischen Naturschutzgesetz verankerten Eingriffsregelung wurde eine naturschutzgerechte Folgenutzung für abgetorfte Flächen verpflichtend. Bis dahin wurden abgetorfte Flächen meist noch einer landwirtschaftlichen Folgenutzung zugeführt. Im Rahmen des Niedersächsischen Moorschutzprogramms sollten daher mindestens 31.000 ha Moor nach ihrer Abtorfung renaturiert und als Naturschutzgebiet gesichert werden. Weitere ca. 50.000 ha durch bäuerliche Handtorfstiche geprägtes, jedoch nicht industriell abgetorftes Hochmoor, sollten zudem über die Ausweisung als Naturschutzgebiet präventiv vor Eingriffen gesichert werden [7].
Nach 1981 wurden viele vorhandene Naturschutzgebiete neu abgegrenzt und großräumig ausgewiesen. Nach Beendigung des industriellen Torfabbaus kamen neue großräumige Schutzgebiete hinzu. Zum Teil wurde die Naturschutzgebietsausweisung schon während der noch laufenden Abtorfung vorgenommen. Der hohe Naturschutzwert begründete dieses Vorgehen, wie u.a. in der Esterweger Dose (Moor Nr. 272 B) und dem Uchter Moorkomplex (Moor Nr. 19). Der Torfabbau war in diesen Mooren soweit fortgeschritten, dass bereits große Flächen wieder vernässt und renaturiert werden konnten.
Abb.2 Wiedervernässung. Polder mit Dämmen und Überläufen zur Rückhaltung von Niederschlagswasser im Westlichen Vehnemoor (Moor Nr.: 334 C; Foto: Schmatzler).
Im Jahr 1986 wurde das Moorschutzprogramm von 1981 (Niedersächsisches Moorschutzprogramm - Teil I, kurz: MSP Teil I) und die darin erfassten Abtorfungsflächen um die land- und forstwirtschaftlich genutzten Moore, natürliche und naturnahe Moore sowie um die Kleinsthochmoore erweitert (Niedersächsisches Moorschutzprogramm – Teil II, kurz: MSP Teil II; Niedersächsischer Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 1986) [5], [6].