Moore und See- und Flussufer als Siedlungsstandorte 

Vor allem in der Mittel- und Jungsteinzeit wurde auf Kuppen und Dünen oder direkt in Niedermooren nahe an Seen oder Fließgewässern gesiedelt. Der zwischen Diepholz und Osnabrück gelegene Dümmer See ist hierfür ein Paradebeispiel. Besonders entlang der Hunte, die den Dümmer von Süden nach Norden durchfließt, wurden Siedlungen und Lagerplätze entdeckt, die von der mittleren Steinzeit bis in die Bronzezeit, möglicherweise auch in die Eisenzeit und das frühe Mittelalter reichen.

Warum sich die Menschen an solch nassen und überflutungsgefährdeten Plätzen niederließen, ist für uns heute nicht so leicht nachzuvollziehen. Vermutlich spielte die Nähe zur fischreichen Ressource Wasser eine wichtige Rolle, aber auch die verkehrsgünstige Lage am fließenden Gewässer, das mit Einbäumen befahren werden konnte und eine schnelle und unproblematische Fortbewegung ermöglichte. Eine gewisse Schutzlage im schwer zugänglichen Terrain könnte ebenfalls ein Argument gewesen sein.

Für die Archäologie sind solche nassen Hinterlassenschaften eine regelrechte Schatzgrube. Denn die im Moor bzw. an Fließgewässern und Seeufern gebauten Siedlungen zeichnen sich durch besondere Erhaltungsbedingungen aus. Blieben die Siedlungsruinen dauerhaft im Grundwasserbereich, so konnten sich organische Materialien aller Art erhalten, z.B. originale Bauteile der aus Holz gebauten Häuser, Inneninstallationen wie Herdstellen, Siedlungsbegrenzungen in Form hölzerner Palisaden, hölzerne Werkzeuge und Gefäße, pflanzliche und tierische Nahrungsreste [17-18]. Aus zeitgleichen Mineralbodensiedlungen sind meist nur Keramikscherben und Steingeräte bekannt.

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Blick auf die 1939¬-1940 ausgegrabene steinzeitliche Moorsiedlung Hunte 1, die von einer Palisade begrenzt wurde. Rechts im Bild sind rechteckige Hausgrundrisse zu erkennen.
Literatur

[1] Bauerochse, A., Haßmann, H., Püschel, K., Schultz, M. (2018): „Moora“ – Das Mädchen aus dem Uchter Moor. Eine Moorleiche der Eisenzeit aus Niedersachsen II. Naturwissenschaftliche Ergebnisse Naturwissenschaftliche Ergebnisse. Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Vol. 47). Rahden/Westf.

[2] Bauerochse, A., Leuschner, H. H., & Metzler, A. (2012): Das Campemoor im Neolithikum. Jahrbuch für das Oldenburger Münsterland, 61, 135–154.

[3] Bauerochse, A., & Metzler, A. (2005): Das „Mädchen aus dem Uchter Moor" - erste Moorleiche Niedersachsens seit fünfzig Jahren gefunden Denkmalpflege in Niedersachsen (Vol. 3, pp. 66-69).

[4] Bauerochse, A., & Metzler, A. (2015): Moore als Archive der Natur- und Kulturgeschichte – das Arbeitsgebiet der Moorarchäologie. TELMA, 5, 93-112.

[5] Both, F., & Fansa, M. (2011): Geschichte der Moorwegforschung zwischen Weser und Ems. In M. Fansa & F. Both (Hrsg.), „O, schaurig ist’s, übers Moor zu gehen“. 220 Jahre Moorarchäologie (Vol. 79, pp. 43–188). Darmstadt.

[6] Both, F., Fansa, M., Jopp, E., Schultz, M., & Püschel, K. (2010): Der Junge von Kayhausen und die Haut aus dem Bareler Moor. Neue Untersuchungsergebnisse. Sonderausgabe aus dem Museumsjournal Natur und Mensch Naturkunde, Kulturkunde, Museumskunde (Vol. 6). Oldenburg.

[7] Burmeister, S. (2013): Moorleichen – Sonderbestattungen, Strafjustiz, Opfer? Annäherungen an eine kulturgeschichtliche Deutung. Paper presented at the ‚Irreguläre‘ Bestattungen in der Urgeschichte: Norm, Ritual, Strafe…?. RGK, Kolloquien zur Vor- und Frühgesch., Bonn.

[8] Eisenbeiß, S. (1994): Berichte über Moorleichen aus Niedersachsen im Nachlass von Alfred Dieck. Die Kunde N.F. (pp. 91–120).

[9] Gräf, J. (2015): Lederfunde der Vorrömischen Eisenzeit und Römischen Kaiserzeit aus Nordwestdeutschland Studien zur Landschafts- und Siedlungsgeschichte im südlichen Nordseegebiet (Vol. 7). Rahden/Westf.

[10] Hayen, H. (1977): Der Bohlenweg VI (Pr) im Grossen Moor am Dümmer. Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Vol. 15). Hildesheim.

[11] Hayen, H. (1989): Bau und Funktion der hölzernen Moorwege: Einige Fakten und Folgerungen. Göttingen).

[12] Hayen, H. (1990): Moorarchäologie. In K. Göttlich (Hrsg.), Moor- und Torfkunde (pp. 156-174). Stuttgart (Schweizerbart.

[13] Hesse, S. (2008): Räder, Wagen und Wege im Moor. Funde aus dem Teufelsmoor zwischen Gnarrenburg und Karlshöfen. Archäologie in Niedersachsen, 11, 37–39.

[14] Heumüller, M. (2019): Archäologielandschaft Moor. Aktivitätsraum abseits des täglichen Lebens. Archäologie in Niedersachsen 22, 21-26.

[15] Heumüller, M., Abbentheren, E., & Melisch, C. (2021): Aschen. FStNr. 30 - Bohlenweg Pr 6. Fundchronik Niedersachsen 2019, 24.

[16] Heumüller, M., Hesse, S., Neumann, I., & Abbentheren, E. (2020): Karlshöfen Fundstelle 18, Gde. Gnarrenburg, Ldkr. Rotenburg (Wümme). Fundchronik Niedersachsen, 23, 255–258.

[17] Kossian, R. (2007): Hunte 1. Ein mittel- bis spätneolithischer und frühbronzezeitlicher Siedlungsplatz am Dümmer, Ldkr. Diepholz (Niedersachsen) Veröffentlichungen der archäologischen Sammlungen des Landesmuseums Hannover (Vol. 52).

[18] Müller, J. (2012). Research on Neolithic and Early Bronze Age wetland sites on north European plain. Paper presented at the Proceedings from the Munro International Seminar: The Lake Dwellings of Europe, Edinburgh

[19] Overbeck, F. T. (1975): Botanisch-geologische Moorkunde. Neumünster (Wachholtz Verlag).

[20] Püschel, K., Jopp-van Well, E., Jahn, W., Haßmann, H., Schultz, M., & Bauerochse, A. (2019): „Bernie“ – Die Moorleiche von Bernuthsfeld. Ergebnisse der interdisziplinären Erforschung und Rekonstruktion eines frühmittelalterlichen Fundkomplexes aus Ostfriesland Materialhefte zur Ur- u. Frühgeschichte Niedersachsens (Vol. 57). Rahden/Westf.

[21] van der Sanden, W. (1996): Mumien aus dem Moor. Die vor- und frühgeschichtlichen Moorleichen aus Nordwesteuropa. Amsterdam).