Biotope der Hochmoore 

Natürliche, intakte Hochmoore

Natürliche, intakte Hochmoore entstehen durch den Prozess des Aufwachsens der für die Hochmoorgenese unabdingbaren Torfmoose. So wuchsen in Niedersachsen seit dem Ausklang der Weichsel-Kaltzeit von Natur aus meist uhrglasförmige Hochmoore empor (vgl. Entstehung der Moore). Der Kontakt zum Grundwasser ging durch das starke Wachstum der Torfmoose vollständig verloren, sodass intakte Hochmoore nur vom Regenwasser gespeist werden. Daher werden sie auch als Regenmoore bezeichnet.

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Regenwasser ist von Natur aus arm an Nährstoffen und mäßig sauer. Hinzu kommt, dass Torfmoos-Arten eine hohe Kationenaustauschkapazität besitzen. Auf der einen Seite führt dies durch die Abgabe von Protonen zu einer Versauerung ihrer Umgebung, auf der anderen Seite zu einer Verringerung der Verfügbarkeit von Mineralstoffen für Gefäßpflanzen [12]. Als Folge sind die Standortverhältnisse von natürlichen Hochmooren durch große Nährstoffarmut, Acidität (pH-Wert um 3,5 – 4,5) und geringe Ionenkonzentration im Wasser gekennzeichnet. Des Weiteren zeichnen diesen Lebensraum  Wassergehaltsschwankungen des Bodensubstrats (je nach Jahreszeit und Witterung), eine verfilzte Rohhumusschicht sowie starke Temperaturschwankungen aus [4]. Die Artenvielfalt dieser Ökosysteme ist von Natur aus gering, da nur wenige Tier- und Pflanzenarten unter solchen Lebensbedingungen existieren können. Nur etwa 40 Gefäßpflanzen sind in Mitteleuropa in naturnahen Hochmooren beheimatet [3]. Hochmoore sind weitestgehend gehölzfrei. Charakteristische Pflanzen sind Moosbeere, Rosmarinheide, Sonnentau und Scheiden-Wollgras. Vor allem prägen verschiedene Moosarten wie die Torfmoose aber auch die Lebermoose intakte Hochmoorlebensräume (vgl. Flora der Hochmoore). Kleinräumige Wechsel von Bulten-Schlenken-Komplexen sind kennzeichnend [7]. Die Differenzierung in Schlenken und Bulten bedingt das Vorkommen und die Verteilung hochmoortypischer Pflanzen- und Tierarten. In den durch ein nasses (hygrisches) Milieu geprägten Schlenken wachsen diverse Moosarten sowie u.a. Sonnentauarten, Weißes Schnabelried, Moosbeere, Schmalblättriges Wollgras. Die Bulten sind durch trockenere (xerische) Bedingungen geprägt. Bultentorfmoose,  Scheiden-Wollgras, Heidearten wie die Glockenheide oder Rosmarinheide prägen die Bulten.

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Aufgrund der anthropogenen Zerstörung der Hochmoorbiotope können jedoch landesweit in  Niedersachsen nur noch etwa 1.000 ha als naturnahe Hochmoore angesprochen werden [8].

Selbst das noch gut erhaltene Bissendorfer Moor, mit hochmoortypischer nahezu baumfreier Offenlandschaft und dem Muswiller See (Hochmoorsee) im Zentrum des Bildes (siehe linke Abbildung), ist in der Vergangenheit durch Entwässerung und Torfabbau geschädigt worden. Viele Flächen dieser offenen Hochmoorlandschaft fallen in der Karte Moorbiotope unter die Kategorie „naturnahe Hoch- und Übergangsmooren“.

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© Heidberg

Bissendorfer Moor 

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© Heidberg

Grundloser See im Grundlosen Moor

Natürlicherweise entstehen im Zentrum der uhrglasförmig aufgewölbten Regenmoore Wasseransammlungen. Einer der Gründe dafür ist eine Verringerung von Wasserabflussmöglichkeiten durch die horizontale Moorausbreitung im Zuge der Hochmoorentstehung. Durch diesen Wasserüberschuss kann der Schlenkenanteil größer werden und es können sich tiefere sogenannte Moorkolke, auch „Blänken“ genannt, mit freier Wasseroberfläche bilden. Moorseen können durch den Zusammenschluss einzelner Moorkolke entstehen. Sie können auch als Restsee, durch den Aufstau zwischen sich vereinigenden Moorkörpern entstehen, z. B. beim Aufwachsen eines Hochmoores auf einem initial entstandenen Verlandungsmoor. Ab einer bestimmten Größe der Moorseen tritt an windexponierten Ufern Erosion durch Wellenschlag auf [5]. Alle diese aquatischen Hochmoorlebensräume zeichnet ein niedriger pH-Wert des Wassers, Nährstoffarmut und ein hoher Gehalt an gelöster organischer Substanz aus. Daher beherbergen Hochmoorgewässer eine typische Flora und Fauna[1] (vgl. Arten). Im Zentrum des durch Entwässerung und bäuerlichen Torfstich geprägten Hochmoorkomplex Grundloses Moor bei Walsrode liegt der Grundlose See (siehe rechte Abbildung), einer der größten natürlich entstandenen Moorseen Niedersachsens. Moorkolke und Moorseen werden in der Karte Moorbiotope den „Stillgewässern“ zugeordnet. 

Degenerierte Hochmoore

Die Vielzahl der verbliebenen Hochmoorreste in Niedersachsen ist durch Entwässerung und Torfabbau mehr oder weniger stark beeinträchtigt. Die zentrale Rolle des Einflusses von Veränderungen der Moorhydrologie auf die sich wandelnde Vegetationszusammensatzung zeigt die folgende Grafik.

Veränderung der Vegetation eines entwässernden Hochmoores (verändert nach[2])

-Grafik in der Entstehung-

 

Mit zunehmender Entwässerung können sich unterschiedlichste Pflanzen etablieren oder vermehrt ausbreiten. Ursprüngliche Bultenarten wie Glockenheide, Scheiden-Wollgras, Besenheide, Krähenbeere und Pfeifengras breiten sich teils in gemischten, teils in reinen Beständen aus [7], während die Arten der Schlenken nur noch fragmentarisch auftreten. Bei zunehmendem Absinken des Moorwasserstandes bilden Birken und Kiefern lichte Anfluggehölze bis hin zu dichten Birken-Kiefern-Moorwäldern. Rauschbeere und Heidelbeere können sich als Unterwuchs ansiedeln (siehe Foto „Moor- und Bruchwald (naturnah)“). Je nach Degenerationsstadium entstehen unterschiedliche Biotope, welche in der Karte Moorbiotope den folgenden Kategorien zugeordnet werden:

 

Scheiden-Wollgras (Eriophorum vaginatum) in vernässter Moorlandschaft mit Torfmoos (Sphagnum sp.), Nicklheim, Bayern, Deutschlands
© mauritius images / imageBROKER

„schwach bis mäßig degenerierte Hoch- und Übergangsmoore“ 

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© Zietz

„(stark) degenerierte Hoch- und Übergangs-moore, Moorheide“

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„Moor- und Bruchwald (naturnah)“ 

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„Moorwald, stark degeneriert“

Wiedervernässte und regenerierte Hochmoore

In wiedervernässten Hochmooren kann es zur Regeneration der Hochmoorvegetation kommen: Torfmoos-Schwingrasen sowie torfmoosreiche Wollgras-Bestände und Moorheiden, aber auch flutende Torfmoos-Bestände in wassergefüllten Torfstichen sind für solche Bereiche kennzeichnend [7]. In vielen Fällen führt die Flutung von Hochmoorresten jedoch zunächst zur Bildung von Wasserflächen, welche auch als „Schwarzwasserseen“ bezeichnet werden [11].

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© Heidberg

Natürliche Regeneration im Torfstich wird in der Karte Moorbiotope den „naturnahen Hoch- und Übergangsmooren“ zugeordnet

Pietzmoor in der Lüneburger Heide.
© mauritius images / Annett Schmitz

In der Karte Moorbiotope sind solche Flächen unter der Kategorie „Initialstadium vernässter Hochmoorflächen“ zusammengefasst

Nutzung von Hochmooren  

Stand 2016 wiesen etwa 74 % der Hochmoore in Niedersachsen Nutzungen auf. 44 % wurden als Grünland genutzt, 10 % der Fläche befanden sich in ackerbaulicher sowie 6 % in forstwirtschaftlicher Nutzung [8]. Diese Flächen sind in der Karte Moorbiotope je nach Intensität der Nutzung entweder unter der Kategorie „Nutzungsbedingte Biotope, schwach bis mäßig degeneriert“ oder „Nutzungsbedingte Biotope, stark degeneriert“ zusammengefasst. Siedlungs-, Verkehrs- und Torfabbauflächen beanspruchten 14 % [8]. Dabei sind „Torfabbauflächen“ als eine gesonderte Kategorie in der Karte Moorbiotope dargestellt. Die Nutzung der Flächen auf kohlenstoffreichen Böden in Niedersachsen, welche nicht als Moorbiotope erfasst sind, können in der Karte Landnutzung eingesehen werden.

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© Zietz

Extensives Hochmoorgrünland („Nutzungs-bedingte Biotope, schwach bis mäßig degeneriert“) 

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Intensiv genutztes Hochmoorgrünland („Nutzungsbedingte Biotope, stark degeneriert“)

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Mooracker („Nutzungsbedingte Biotope, stark degeneriert“)

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© Heidberg

Torfabbaufläche („Torfabbauflächen“)

Etwa 26 % der Hochmoore werden als weitgehend ungenutzt und degeneriert oder aber auch naturnah eingestuft [8]. Es gilt, dringend und mit verstärkten Bemühungen diese ungenutzten, aber degenerierten Moore als Lebensraum für hochmoortypische Tier- und Pflanzenarten, wenn noch nicht geschehen, wiederzuvernässen und die Gebiete langfristig durch Management- mit Monitoringprogramme zu entwickeln (vgl. Schutz der biologischen Vielfalt)

Literatur

[1] Behr, H. (1988). Kleinräumige Verbreitungsmuster von Dytisciden-Populationen (Coleóptera; Dytiscidae) in zwei Oberharzer Hochmooren*. Faun.-Ökol. Mitt., (6), 43–52.

[2] Eigner, J. (2003). Möglichkeiten und Grenzen der Renaturierung von Hochmooren. In N. Mallach (Hrsg.), Moorrenaturierung - Praxis und Erfolgskontrolle (Laufener Seminarbeiträge, [20]03,1, S. 23–36). Laufen/Salzach.

[3] Ellenberg, H. & Leuschner, C. (2010). Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in ökologischer, dynamischer und historischer Sicht. UTB.

[4] Göttlich, K. (1990). Moor- und Torfkunde. Stuttgart: Schweizerbart´sche Verlagsbuchhandlung.

[5] Joosten, H. & Succow, M. (2001). Landschaftsökologische Moorkunde. Stuttgart: E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung.

[6] Mitsch, W. J. & Gosselink, J. G. (2015). Wetlands. Wiley.

[7] Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz. (2021). Gesetzlich geschützte Biotope und Landschaftsbestandteile in Niedersachsen. Beschreibung der nach § 30 BNatSchG und § 24 Abs. 2 NAGBNatSchG geschützten Biotoptypen sowie der nach § 22 Abs. 3 NAGBNatSchG landesweit geschützten Wallhecken (Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen).

[8] Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz. (2016). Programm Niedersächische Moorlandschaften.

[9] Niedersächsisches Umweltministerium. (2002). Niedermoore in Niedersachsen. Ihre Bedeutung für Gewässer, Boden, Klima und die biologische Vielfalt. Hannover (unveröffentlicht).

[10] Succow, M. (1988). Landschaftsökologische Moorkunde (Reihe Ökologie). Berlin [West], Stuttgart: Borntraeger.

[11] Timmermann, T., Joosten, H. & Succow, M. (2016). Restaurierung von Mooren. In S. Zerbe & G. Wiegleb (Hrsg.), Renaturierung von Ökosystemen in Mitteleuropa (S. 55–93). Berlin: Springer Spektrum.

[12] Van Breemen, N. (1995). How Sphagnum bogs down other plants. Trends in Ecology & Evolution, 10(7), 270–275.

NLWKN: Lennard Heidberg (2023)