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Hintergrundbelastung als Problem für die Renaturierung von Mooren

Großräumige ökologische Hintergrundbelastungen haben auch in Niedersachen zugenommen [2,9,12]. Ökologische Hintergrundbelastungen sind nicht-punktuelle Belastungen, die Auswirkungen auf eine ganze Region haben. Die Belastung durch Entwässerung, Eutrophierung, Fragmentierung, und Klimawandel beeinträchtigen großräumig die ökologischen Funktionen von Hochmooren. Sie wirken dabei nicht getrennt voneinander, sondern verstärken sich gegenseitig. Betroffen davon sind besonders nährstoffarme, nasse Landschaften wie z.B. die Lebensräume im Hochmoor und ihre Wasser-Einzugsgebiete. Weiter verschärft werden diese Belastungen durch aktuelle Wirkungen des Klimawandels [5].

Die ökologische Gesamtbelastung für Moor-Lebensgemeinschaften im Hintergrund wächst.

Entwässerung:

Auf landwirtschaftlich genutzten Moorböden (Link zu landwirtschaftliche Nutzung) findet eine Entwässerung durch Gräben, Grüppen und Dräne statt. Da die Standorte überwiegend durch einen klimatisch bedingten Wasserüberschuss (Niederschlag abzüglich Verdunstung) gespeist werden und dieser im Sommerhalbjahr geringer ausfällt, fallen die Wasserstände dort im Sommer stark ab.

Darüber hinaus verursachen (über-) regional zusammenhängende Landschafts-Entwässerungssysteme eine großräumige Absenkung der Wasserstände in den Grundwasserkörpern unterhalb der Torfe. Ihre Auswirkungen auf Moore sind komplex, je nach Torfstratigraphie (v.a. Mächtigkeit der Schwarztorfschicht) erhöht sich mit fallenden Grundwasserständen die Versickerung, wodurch es schwerer wird, hohe Wasserstände zu halten. Tiefe Vorflutsysteme (z.B. in den Mineralboden einschneidende Gräben) führen neben dem Regenwasser auch hoch anstehendes Grundwasser ab. Das lässt die natürlicherweise vorhandenen, saisonalen Wasserstandsschwankungen im Hochmoor zusammenbrechen [13]. Durch die Vergrößerung des Bereichs mit Sauerstoffkontakt (aeroben Bereiche) im Torfköper wird der essentielle Torfbildungsprozess  zerstört. Gleichzeitig gelangt heute mit Stickstoff, Phosphat bzw. Schwefel belastetes Wasser über regionale Grabensysteme auch in die Moor-Reliktlandschaften. Dies verursacht zusätzliche Herausforderungen für die Moor-Renaturierungen [11].

Eutrophierung und Nährstoffbelastung

Die Eutrophierung spielt vor allem in den von Natur aus oligotrophen, d.h. nährstoffarmen, Hochmooren eine Rolle. Nährstoffbelastungen im Hochmoor können aus verschiedenen Quellen stammen. So tragen vor allem atmosphärische Deposition, d.h. der Eintrag von Nährstoffen aus der Luft zur Belastung bei.

Bei der Viehhaltung und bei der organischen Düngung von Nutzflächen wird Ammoniak freigesetzt. Die Regionen in Niedersachsen mit großen Moorarealen, z.B. Emsland und Vechta, sind Regionen in denen auch viel Viehhaltung betrieben wird. Dazu kommen NOx-Emissionen aus dem Verkehr. Das führt u.a. zu großflächigen, diffusen Verbreitungen von Stickstoffkomponenten über die Luft und zur Stickstoff-Depositionen. Sie liegen in Niedersachsen zwischen 15 bis 35 kg N pro ha und Jahr (ha − 1 a− 1[8,10]. Ursprünglich stickstoffarm ausbalancierte Ökosysteme wie Hochmoore sind durch diese Zufuhr besonders belastet. Bei Hochmoor-Lebensgemeinschaften gilt eine kritische Belastungsgrenze der Nährstoffversorgung (critical load) von max. 5 bis 10 kg N ha−1 a−1 [1]. Beim Überschreiten dieser Grenze profitieren nur wenige Arten [3-4], die Stickstoff besonders gut verwerten können, wie z.B. Pfeifengras und Moorbirke [14-15]

Fragmentierung

Naturnahe Moore in Deutschland sind auf 1% (140 km²) ihrer ehemaligen Ausdehnung zurückgedrängt worden [7]. Das führte zu einer Zerschneidung dieser, ehemals landschaftsbestimmenden, Lebensräume. Die Fragmentierung wirkt auf lokaler und regionaler, auf biotischer wie auf abiotischer Systemebene. Ehemals große Moorflächen finden sich nur noch mosaikartig als kleine vernässte Gebiete in der Landschaft. Zum größten Teil sind die Flächen entwässert und werden landwirtschaftlich genutzt (aktuelle Nutzung der Moore in Nds). Für die Restpopulationen von Flora und Fauna, ehemals zusammenhängender Großlebensräume, hat das zwei wichtige Konsequenzen: Die Populationen werden auf Reliktflächen sowohl kleiner und isolierter. Dies führt zu einer Veränderung der Populationsstruktur, zum Verlust ihrer Ausbreitungsfähigkeit und zu einem Rückgang der genetischen Vielfalt. All das gefährdet das langfristige Überleben der Populationen [20]. Aus den ursprünglich weiträumig zusammenhängenden, gleitenden hydrologisch-hydrochemischen Übergängen (Gradienten) der Hochmoore sind oft nur noch kleine, isolierte hydraulische Zellen verblieben.

Klimawandel

Moore sind durch den Klimawandel besonders gefährdet, weil der Moor-Wasserhaushalt ausschließlich von Regen (nur bei den Hochmooren) und von hohen Wasserständen in der Landschaft geprägt wird. Die modellierten Klimaszenarien zeigen, dass viele Hochmoore bis zum Ende des 21. Jahrhunderts einem hohen klimatischen Risiko ausgesetzt sein werden. Bei zu häufigen und lange andauernden Trockenperioden ist eine Entwicklung der Moore in Richtung Moorwald zu erwarten. Dies hat entsprechende negative Konsequenzen auf ihr Kohlenstoffspeicherpotenzial [5]. Ein trockener Moorwald emittiert viel höhere Emissionen durch Torfschwund als ein vernässtes Moor. Diese hydraulisch ohnehin geschwächten Relikte geraten durch die derzeit zunehmenden Trockenphasen immer weiter in einen Wassermangel-Stress.

Literatur

[1] Achermann, B., & Bobbink, R. (2002). Empirical Critical Loads for Nitrogen. Expert Workshop, Berne, 11-13 November 2002. Environ. Doc. No. 164.

[2] Adler, N., Ehlers, K., Friedrich, B., Frische, T., Gather, C., Ginzky, H., . . . Walter, A. (2017). Umweltschutz in der Landwirtschaft. In Umweltbundesamt (Ed.), (pp. 92).

[3] Ellenberg, H. (1989). Eutrophierung - das gravierendste Problem im Naturschutz? -Ein Dutzend illustrierte Informationen NNA-Berichte (Vol. 2, pp. 8-13).

[4] Ellenberg, H. (1989). Eutrophierung - das gravierendste Problem im Naturschutz? Zur Einführung NNA-Berichte (Vol. 2, pp. 4-8).

[5] Essl, F., Lexer, M. J., & Seidl, R. (2013). Moore und Feuchtgebiete – die Gefahr der Austrocknung. In F. Essl & W. Rabitsch (Eds.), Biodiversität und Klimawandel: Auswirkungen und Handlungsoptionen für den Naturschutz in Mitteleuropa (pp. 172-178). Berlin Heidelberg: Springer Spektrum.

[6] Howie, S. A., & Tromp-van Meerveld, I. (2011). The Essential Role of the Lagg in Raised Bog Function and Restoration: A Review. Wetlands, 31(6), 613-622.

[7] Joosten, H. (2012). Zustand und Perspektiven der Moore weltweit. Natur und Landschaft, 87, 50-55. doi: 10.17433/2.2012.50153141.50-55

[8] Mohr, K. (2013). Erfassung der Stickstoffbelastungen aus der Tierhaltung zur Erarbeitung innovativer Lösungsansätze für eine zukunftsfähige Landwirtschaft bei gleichzeitigem Schutz der sensiblen Moorlandschaft (ERNST).

[9] Oppermann, R., Chalwatzis, D., Röder, N., & Baum, S. (2020). Biodiversität in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU nach 2020.

[10] Schaap, M., Hendriks, C., Kranenburg, R., Kuenen, J., Arjo, S., Schlutow, A., . . . Banzhaf, S. (2018). PINETI-3: Modellierung atmosphärischer Stoffeinträge von 2000 bis 2015 zur Bewertung der ökosystem-spezifischen Gefährdung von Biodiversität durch Luftschadstoffe in Deutschlan (pp. 149): Umweltforschungsplan des  Bundesministeriums für Umwelt,  Naturschutz und nukleare Sicherheit.

[11] Smolders, A. J. P., Tomassen, H. B. M., van Mullekom, M., Lamers, L. P. M., & Roelofs, J. G. M. (2003). Mechanisms involved in the re-establishment of Sphagnum-dominated vegetation in rewetted bog remnants. Wetlands Ecology and Management, 11(6), 403-418. doi: 10.1023/B:WETL.0000007195.25180.94

[12] SRU. (2015). Stickstoff: Lösungsstrategien für ein drängendes Umweltproblem (pp. 564). Berlin, Germany: Sachverständigenrates für Umweltfragen.

[13] Thom, T., Hanlon, A., Lindsay, R., Richards, J., Stoneman, R., & Brooks, S. (2019). Conserving bogs - The Management Handbook, 2nd edition: IUCN UK Peatland Programme.

[14] Tomassen, H. B. M., Smolders, A. J. P., Lamers, L. P. M., & Roelofs, J. G. M. (2003). Stimulated growth of Betula pubescens and Molinia caerulea on ombrotrophic bogs: role of high levels of atmospheric nitrogen deposition. Journal of Ecology, 91(3), 357-370. doi: https://doi.org/10.1046/j.1365-2745.2003.00771.x

[15] Tomassen, H. B. M., Smolders, A. J. P., Limpens, J., Lamers, L. P. M., & Roelofs, J. G. M. (2004). Expansion of invasive species on ombrotrophic bogs: desiccation or high N deposition? Journal of Applied Ecology, 41(1), 139-150. doi: https://doi.org/10.1111/j.1365-2664.2004.00870.x

[16] Van Duinen, G. A. (2013). Rehabilitation of aquatic invertebrate communities in raised bog landscapes. (PhD), Radboud University Nijmegen.  

[17] van Duinen, G. A., Brock, A., Kuper, J., Peeters, T., & Esselink, J. (2004). Do raised bog restoration measures rehabilitate aquatic fauna diversity? A comparative study between pristine, degraded, and rewetted raised bogs. Wise use of peatlands. Proceedings of the 12th International Peat Congress.

[18] van Duinen, G. A., Vermonden, K., Brock, A., Leuven, R. S. E. W., Smolders, A., Van der Velde, G., . . . Esselink, H. (2006). Basal food sources for the invertebrate food web in nutrient poor and nutrient enriched raised bog pools. Proceedings of the Section Experimental and Applied Entomology of the Netherlands Entomological Society (NEV), 17, 37-44.

[19] Van Duinen, G. A., Von Asmuth, J., Van Loon, A., Van der Schaaf, S., & Tomassen, H. (2017). Duurzaam herstel van hoogveenlandschappen - Kennis, praktijkervaring en kennisleemten bij de inrichting van hoogveenkernen, randzones en bufferzones (pp. 300 ): VBNE, Vereniging van Bos- en Natuurterreineigenaren.

[20] Young, A., Boyle, T., & Brown, T. (1996). The population genetic consequences of habitat fragmentation for plants. Trends Ecol Evol, 11(10), 413-418. doi: 10.1016/0169-5347(96)10045-8

Ludwig Stegink-Hindriks (NLF) & Martha Graf (LBEG) (2021)