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Der Mensch und das Moor

Besonders im Nordwesten Niedersachsens waren Moore allgegenwärtige „Nachbarn" der Menschen. Sie waren nasses „Ödland“, nicht zu bewirtschaften und nur beschwerlich zu durchqueren. Daher sind sie seit jeher eine Grundlage für Mythen und Sagen. Beispielsweise wird ihnen nachgesagt, die nassen Landschaften seien von bösen Geister bewohnt, die sich als Irrlichter zeigen und arglose Wandernde ins Verderben führen. Im Laufe der Zeit wurden die Moore aber immer mehr als Rohstoffquellen betrachtet oder in Acker- und Grünland umgewandelt, bis sie Ende des 20. Jhd. als Moorlebensräume mit typischen Tieren und Pflanzen nasser Moore weitgehend aus der niedersächsischen Landschaft verschwunden waren. Fritz Overbeck (1979) schrieb in der letzten Strophe in „Das Große Moorlied“: „Also ging man unverfroren, Um mit unseren schönen Mooren, Spricht dazu noch ungeniert: „Diese sind nun kultiviert!“ – Statt sich was zu schämen“. Anstelle der Moore traten nun vielfältige Moorkulturlandschaften, die zur Heimat für die Siedler und Siedlerinnen geworden sind. Die aufkommenden Natur- und Klimaschutzgedanken haben zuletzt ebenfalls Einzug in die Beziehung zwischen Mensch und Moor erhalten und diese nachhaltig geändert. Trotz der langen Geschichte hat sich die ursprüngliche Mystik der Moore im allgemeinen Geiste erhalten. Denn wer bekommt nicht sofort ein unbehagliches Gefühl bei der Vorstellung, in einem Moor zu stehen, umgeben vom Wasser und einer unwirklichen moosigen und vernebelten Landschaft?

Ausblick

Erst gefürchtet, dann nach und nach Meter für Meter erobert und letztendlich als Lebensraum moortypsicher Tier- und Pflanzenarten fast vollkommen vernichtet, so erging es den niedersächsischen Mooren in den letzten 2.000 Jahren. Inzwischen hat in weiten Teilen der Bevölkerung ein Umdenken stattgefunden und der Schutz der Moorbiotope im Naturschutz und der Torflagerstätten im Klimaschutz wird präsenter, sodass es in Niedersachsen inzwischen rund 64.000 ha Hochmoor und 29.000 ha Niedermoor in Naturschutzgebieten gibt [11, 15]. Für einen Teil dieser Moore steht eine Optimierung der Wasserverhältnisse als Voraussetzung für eine Moorentwicklung allerdings noch aus. Heute machen wir sogar Urlaub in diesen Moorlandschaften. Wirklich unbeeinflusste, „wachsende Moore“, gibt es in Niedersachsen derzeit nur in geringem Umfang. Denn selbst die Moore in Naturschutzgebieten können durch umliegende Entwässerungen, Nutzungen, bäuerlichen Torfstich oder durch den atmosphärischen Stickstoffeintrag beeinträchtigt sein. Im Wachstum befindliche Moore sind nur noch kleinräumig, an besonders geschützten Stellen in der niedersächsischen Landschaft zu finden. Heutzutage kann man in einer Moorlandschaft stehen, ohne dass dies auffallen würde. Die anstehenden trockenen Torfkörper sind mit herkömmlicher Vegetation bewachsen und für den Laien häufig nicht mehr als Moorgebiete erkennbar. Die Entwässerungsgräben und die Torfe im Untergrund sind die letzten Zeugen, der einstigen Moorlandschaften. Eine Vielzahl von Landwirten und Landwirtinnen, deren Vorfahren einst die Ödländereien in nutzbares Grün- und Ackerland verwandelten, leben auch noch heute vom Ertrag aus den kultivierten Mooren. Der Moorschutz geht aber nur mit der Wiedervernässung der Moorlandschaften einher, was entweder einen Verlust der Ertragsfähigkeit oder die Aufgabe der kompletten Flächen bedeuten kann. Die heutigen Moorbäuerinnen und Moorbauern müssen daher um ihre Lebensgrundlage fürchten [14]. Eine moorschonende Grünlandnutzung oder die Bewirtschaftung nasser Moore mit angepassten Pflanzen könnte diesen Konflikt lösen. Es wird spannend zu sehen sein, wie sich die Jahrtausende lange Beziehung zwischen Mensch und Moor in naher Zukunft entwickeln wird und ob wir es schaffen, das Moor als „Nachbarn“ zu akzeptieren und so in Zukunft wertschätzend nebeneinander leben können.

 

Weiterführende Sammlungen
Gedichte & Balladen

Annette von Droste-Hülshoff (1842): Das Hirtenfeuer 

Anette von Droste-Hülshoff (1842): Der Heidemann 

Klaus Groth (1853): Dat Moor

Annette von Droste-Hülshoff (1864): Der Knabe im Moor 

Christian Morgenstern (1897): Die Irrlichter 

Christian Morgenstern (1897): Am Moor 

Maximilian Albert Dauthendey (1897): Die schwarze Sonne 

Hermann Löns (1912): Der Bohrturm 

Georg Trakl (1914): Am Moor 

Hermann Löns (1924): Der Märchenwald

Sarah Kirsch (1982): Beginn der Zerstörung  

Thomas Kling (2002): Bärenmarke, Moorfunde 

Lieder

Hermann Löns (1901): Alle Birken grünen im Moor und Heid (Youtube) 

Wilhelm Schulte (1920-1930): Seelter Läid (Youtube)

Johann Esser, Wolfgang Langhoff & Rudi Goguel (1933): Die Moorsoldaten (Youtube)

Kaufmann, Vorname unbekannt (1933): Fern verbannt nach Emslands Norden

Unbekannt (1933/34): Was uns auch begegnet hier (KZ Esterwegen)  

Unbekannt (1933/35): Wenn alles grünt und blüht auf Emslands Fluren

Unbekannt (1935): Morgens um halb fünfe (KZ Ersterwegen) 

Unbekannt (1933/36): Den Spaten geschultert marschieren wir 

Unbekannt (1933-1945): Graue Kolonnen ziehen ins Moor 

Juliane Werding (1972): Der letzte Kranich vom Angersburger Moor  (Youtube)

Fritz-Theodor Overbeck (1979): Das große Moorlied 

Maragrete Jehn & Wolfgang Jehn (1993): Die alte Moorhexe (Youtube)

Versengold (2019): Der rode Gerd (Youtube)

Dr. John Couwenberg (2021): Oh Sonnentau

Bücher:

Johann Hartmann Degner (1731): Teutschlands neu entdeckte Goldgrube

Arthur Conan Doyles (1902): Der Hund von Bakersville 

Firozeeh Milbrandt (2021): Teufelmoor Saga: Der Rote Gerd 

Filme:

Marc Brummund (2015): Freistatt 

Dr. Heinz Wiers (1952): Moordämmerung

Zeitzeugenberichte:

Moorbäuerin Johanna (1876-1960)

Prediger Hoche (1800):

Es war eben, wie der Prediger Hoche bei einer Reise notierte, „kein gelobtes Land (...), es war ein deutsches Sibirien, wo die Natur mit einem Seitenblick vorüberging, als sie ihre Schätze über die Erde aussäete, und endlich eine Hand voll Buchwaizensaamen mitleidig zur Seite warf. Der luxurierende Boden, der durch seinen bunten Teppich und wogende Saatfelder alle lebendigen Wesen mit Freude und Frohsinn erfüllt, ist hier mit einem Trauerflor überworfen, auf welchem die nährigen Haidebienen den einzelnen Blümchen die letzte Kraft rauben, und den mageren Kühen die verdorrten Stengel überlassen. (...) Was das Herz erfreeut, und zum Leben erzeugt, ist fern von diesen Grenzen. Dürftigkeit deckt die Mittagstafel, und Armuth den Abendtisch“. (Hoche 1800 in Haverkamp 2011:262).

Unbekannter Zeitzeuge in Bueren (1816): 

Ein Zeitzeuge notierte dazu: „Begeistert ruf ich aus: Welche Stimme des Rufenden hat die todte Wüste wieder belebt? Welcher Gott hat das Auferstehungs-Wort gesprochen über die Grüfte der Verwesung? Nicht die Wunderkraft des unmittelbar schaffenden und belebenden Worts des Allmächtigen hat diese Moor schöpfungen hervorgebracht, sondern die Wunderkraft des im Menschen wohnenden hehren Unternehmergeists, der die Gestalten der Materie nach seinen Ideen formt, und mit eigener Kraft des Kopfes und der Hände sich eine eigene neue Schöpfung bildet. (...) Ein Rütenbrock, ein Twist, wird mit Pekeln und Papenborg wetteifern, seine kleineren Schiffe werden aus den versunkenen Wäldern den Hauptstädten die kostbare Feuerung zuführen, und seine größeren den Ozean pflügen; an der Stelle der vermoderten werden verjüngte Eichen und Buchenwälder erstehen, und ein neues Eden wird in den unwirthbaren Steppen erblühen. Amen“ . (Bueren (1816) in Haverkamp (2011:261)):

Brett-Spiele:

Uwe Rosenberg (2018):  Agricola – Die Moorbauern

Literatur

[1] Bauerochse, A., Haßmann, H., Püschel, K., Schultz, M., & (Hrsg.). (2018): „Moora“ – Das Mädchen aus dem Uchter Moor. Eine Moorleiche der Eisenzeit aus Niedersachsen II. Naturwissenschaftliche Ergebnisse Naturwissenschaftliche Ergebnisse. Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Vol. 47). Rahden/Westf.

[2] Bauerochse, A., Leuschner, H. H., & Metzler, A. (2012): Das Campemoor im Neolithikum. Jahrbuch für das Oldenburger Münsterland, 61, 135–154.

[3] Bauerochse, A., & Metzler, A. (2015): Moore als Archive der Natur- und Kulturgeschichte – das Arbeitsgebiet der Moorarchäologie. TELMA, 5, 93-112.

[4] Capelle, T. (1995): Antropomorphe Holzidole in Mittel- und Nordeuropa. Stockholm (Almquist & Wiksell International).

[5] de Klerk, P., Hettings, J., Musäus, I., & Joosten, H. (2022): Zitternde Böden und brennender Schlamm: die Wahrnehmung von Moor und Torf bei den Römern. Telma (unveröffentlicht)

[6] Degner, J. H. (1731): Teutschlands neu-entdeckte Goldgrube. Frankfurt (Fleischer).

[7] Verein Deutscher Naturparke e.V. (2019): Strukturen, Leistungen und Perspektiven der Naturparke in Niedersachsen. Bonn (Verband Deutscher Naturparke e.V.). 

[8] Günther, J. (2012): Die Moorbrandkultur und der Buchweizenanbau als eine frühe Form der landwirtschaftlichen Hochmoornutzung in Nordwestdeutschland. TELMA, 42, 57 - 70.

[9] Haverkamp, M. (2011): Binnenkolonisierung, Moorkultivierung und Torfwirtschaft im Emsland unter besonderer Berücksichtigung des südlichen Bourtanger Moores – Entwicklungslinien und Forschungsstand. TELMA, 41, 257-282.

[10] Hayen, H. (1971): Hölzerne Kultfiguren am Bohlenweg XLII (IP) im Wittenmoor (Gemeinde Berne, Landkreis Wesermarsch). . Die Kunde N.F:, 22, 88-123.

[11] NIBIS® Kartenserver (2022). Kohlenstoffreichen Böden 1 : 50 000 (BHK50). - Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG).

[12] Meyers Großes Konversations-Lexikon (1907): Irrlichter (Vol. 10). Leipzig.

[13] BTE Tourismus- und Regionalberatung PartG mbB (2016): Naturtourismus in Deutschland 2016. Berlin.

[14] Minßen, F.-J., Klinck, L., & Krause, A. (2022): Zukunft der Moorstandorte in Niedersachsen. Fakten, Fragen, Handlungsansätze. Ovelgünne (Grünlandzentrum Niedersachsen/Bremen e.V.). 

[15] Umweltkartenserver Niedersachsen (2022). Naturschutzrechtlich geschützte Moore.

[16] Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz (2016): Programm Niedersächsische Moorlandschaften. Hannover (Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz).

[17] Overbeck, F. (1979): Das Große Moorlied. TELMA, 9, 275-286.

[18] Schmatzler, B., & Schmatzler, E. (2010): Moorland. Moorlandschaften in Niedersachsen nach industriellem Torfabbau. Ratingen (Industrieverband Garten e.V.).

[19] Slofstra, B. & Hoeskstra, E. (2022): Sprachlehre des Saterfriesischen 2022. Saterland (Fryske Akademy-Nümer 1137).

[20] Succow, M. & Jeschke, L. (2022): Deutschlands Moore. Ihr Schicksal in unserer Kulturlandschaft. Rangsdorf (Natur+Text GmbH).

[21] Wiegand, C. (2019): Kulturlandschaftsräume und historische Kuturlandschaften landesweiter Bedeutung in Niedersachsen. Naturschutz und Landespflege in Niedersachsen, 49, 338.

LBEG: Paul Matras (2022)