815. Kehdinger Moor (südlicher Teil)

Allgemeine Beschreibung:

Abgrenzung gegen Moor Nr. 591 an der Straße Himmelpforten - Großenwörden.

TK25:

Bl. Stade-Nord (2322), Himmelpforten (2321), Wischhafen (2221).

Größe:

51,1 qkm (ohne mineralische Inseln und Deponiefläche), davon 30,9 qkm Hochmoor, 20,2 qkm Niedermoor.

Teilnamen:

Theisbrügger Moor, Königsmoor (am nördlichen Ende), Aschhorner Moor, Drochterser Moor, Gauensieker Moor, Ritschermoor, Asseler Moor, Bützflether Moor, Stader Moor (Niedermoorrandgebiet an der Nordost­ flanke, in der Reihenfolge von Nordwesten nach Südosten), Wildes Moor (Hochmoorzentrum nördlich von Groß-Sterneberg), Im Hochmoor (östlich an Wildes Moor anschließend), Ostermoor (südliches Randgebiet, östlich von Hammah), Seemoor (Niedermoorgebiet an der Grenze zu Moor Nr. 591), Hüllsmoor (Niedermoorgebiet westlich von Hammah).

Kartierung:

LADE 1976, SCHNEEKLOTH 1978 (Übersichtsaufnahme).

Erschließung und Nutzung:

Bis ins 18. Jahrhundert lag das Kehdinger Moor, als eine typische Bildung des "Sietlandes" zwischen den Überschwemmungsgebieten von Elbe und Oste, im wesentlichen unberührt. Lediglich von den Höfen der Reihensiedlung an seinem Ostrand aus wurde für den häuslichen Bedarf Brenntorf gestochen (Stichgrenze heute noch als ca. 1 m hohe Schwelle im kultivierten Gelände erkennbar). Abgetorfte Flächen meist mit kalkreichem Klei bedeckt (Lit. VIRCHOW 1880, 1883); vereinzelt auch Moorbrandkultur. Die ursprünglich zusammenhängende Fläche der Moore Nr. 815 und 816 durch Torfstich getrennt. Pläne zur Besiedlung seit 1750, erste gründliche Vermessung 1781 unter Leitung von FINDORFF (Lit. MÜLLER-SCHEESSEL 1975). Damals noch mehrere Gruppen von Hochmoorseen ("Seeblecken") vorhanden: Nordwestlich von Engelschoff und westlich der heutigen Rotschlammdeponie (siehe auch Karte in Lit. SCHUCHT 1905). Planmäßige Kultivierung erst zweite Hälfte 19. Jahrhundert durch Bau des Hauptkanals (1892 - 1897) und Gründung von Groß-Sterneberg (1902; Name nach dem langjährigen Vorsitzenden der Zentral-Moorkommission, Exzellenz STERNEBERG), z. T. unter Einsatz von Strafgefangenen. Vor der planmäßigen Entwässerung im Zentrum bis 4 m Weißtorf über ca. 1 m Schwarztorf über Schilftorf. Gesamtmächtigkeit max. 12,5 m; durch Entwässerung starke Verheidung und Sackungen bis zu 3 m (Lit. SCHUCHT 1905, LANGE 1907, ZUNKER 1937).
Gegenwärtig nahezu vollständig in landwirtschaftlicher Nutzung, überwiegend Grünland, in den südlichen 2/3 des Hochmoores und im Seemoor durchschnittlich 20 % (um Groß-Sterneberg bis 30 %) Acker, im übrigen meist um 10 % Acker. Insgesamt etwa 1 qkm Ödland, meist mit bäuerlichem Torfstich, in zahlreichen, über das ganze Gebiet verstreuten Parzellen. Vorfluter im allgemeinen gut ausgebaut, im Niedermoor verbreitet künstliche Vorflut; Binnenentwässerung im allgemeinen nur mäßig ausgebaut, südliche Hälfte des Hochmoorgebietes großflächig gedränt. Das Moor ist durch ein Netz ausgebauter Autostraßen gut erschlossen. Das Feldwegenetz ist im Hochmoorgebiet in ausgesprochen schlechtem Zustand, in den Niedermoorgebieten im allgemeinen mäßig. Am südöstlichen Hochmoorrand (Flurbezeichnung "Im Hochmoor") auf 0,7 qkm 4 m hohe Rotschlammdeponie der Vereinigten Aluminiumwerke Stade-Bützfleth. Am nördlichen Ende des Hochmoores ("Königsmoor") auf 2,1 qkm industrieller Weißtorfabbau durch Torfwerk Königsmoor KG und Torfwerk Aschhorn der BHS (Bayerische Berg-, Hütten- und Salzwerke AG). Alte bäuerliche Abtorfungsgebiete (meist um 1 m abgetorft, kultiviert) vor allem an der Nordostflanke (von Aschhorner Moor bis Ritschermoor) und der Südwestflanke (von Burg bis Ostermoor) des Hochmoorgebietes. Durch das südliche Randgebiet des Moores verlaufen eine E-Fernleitung sowie die Eisenbahnstrecke Stade - Cuxhaven.

Bewuchs:

Landwirtschaftliche Nutzflächen überwiegend Grünland, verbreitet Acker. Ödland im allgemeinen Birkenbruchwald mit Kiefer, am südöstlichen Hochmoorrand auch überwiegend Kiefer, im Niedermoor durchsetzt mit Erle, weniger Fichte. Unterwuchs meist Molinia, Ericaceen, stellenweise Eriophorum vaginatum, Empetrum, selten Andromeda, auf einem verlandeten Hochmoorkolk im Ödland nördlich von Klein-Villah noch wachsende Sphagnum-Decke mit Vaccinium oxycoccus. Im Niedermoorgebiet an Gräben und Wegen verbreitet Erlen-Birken-Reihen.

Mooruntergrund:

Nordöstlich der Linie Stade - Gut Bockhorst - Klein-Villah - Groß Sterneberg - Burg (d. h. das gesamte Hochmoorgebiet außer südlichem Rand) unter dem "Oberflächenmoor" Kleischichten (tonige Meeresküstensedimente) mit zwischengeschalteten Niedermoortorflagen. Mächtigkeit der Klei-/Torfschichten überwiegend 6 - 10 m, von Südwesten nach Nordosten (zur Elbe) zunehmend. Darunter vorwiegend Feinsand. Südwestlich der vorgenannten Linie Torf über Feinsand, seltener Mittelsand. Sanduntergrund im allgemeinen von der Geest zur Elbe- und Osteniederung abfallend, in Geestrandnähe jedoch in einzelnen Inseln die Mooroberfläche durchragend.

Mächtigkeit:

Nordöstlich der obengenannten Linie bezieht sich die Mächtigkeitsangabe auf das "Oberflächenmoor", südwestlich davon, wie sonst üblich, bis auf den Sanduntergrund.
Mächtigkeiten über 4 m finden sich auf etwa 6 qkm zusammenhängender Fläche im Hochmoor vorallem unmittelbar nordöstlich anschließend an die obengenannte ("Sterneberger") Linie bis hin zum Zentrum der südlichen Hochmoorhälfte; in diesem Bereich liegen die Werte im allgemeinen zwischen 4 und 6 m, max. 8,7 m. Abgesehen von einzelnen Stellen im zentralen Bereich des Hochmoores mit 4 - 5 m, liegt die Mächtigkeit des übrigen Hochmoores unter 4 m. Weniger als 2 m hat das Hochmoor auf einem durchschnittlich 500 m breiten Streifen an seiner Nordostflanke und südlich der "Sterneberger" Linie.
Auch die Niedermoorflächen sind recht unterschiedlich: Im Seemoor auf 1/2 qkm 4 - 6 m (um Burgbeckkanal), sonst weniger als 2 m. Das Niedermoorgebiet zwischen Himmelpforten und Hammah (Hüllsmoor) im Zentrum meist 2 - 3 m, etwa die Hälfte des Gebietes (Randflächen) weniger als 2 m. Niedermoorgebiet am Südostende des Hochmoores und Ostermoor meist 2 - 3 m, stellenweise bis 4 m, oberes Tal der Osterbeck bis etwa 1,5 km nördlich der Eisenbahnlinie weniger als 1,5 m. Niedermoorflächen an der Nordostflanke und am nordwestlichen Ende des Hochmoores meist weniger als 1 m, nur stellenweise bis 2 m.

Schichtaufbau:

Im Hochmoor südwestlich der "Sterneberger" Linie (siehe Abschnitt Mooruntergrund) über dem Sanduntergrund zunächst verbreitet mäßig bis stark zersetzter Seggen- und Schilftorf mit etwas Erlenholzgehalt; Mächtigkeit der Niedermoortorfschichten zwischen Groß-Sterneberg und Klein­Villah 1 - 3 dm, nach Osten und Westen sowie im Ostermoor stark ansteigend auf über 2 m bis max. 4,3 m. Darüber 5 - 10 dm, max. 2 m stark zersetzter Hochmoortorf (Schwarztorf). Kleinflächig darüber im Ostermoor 5 - 10 dm schwach zersetzter Sphagnum-Torf (Weißtorf).
Im Hochmoor nordöstlich der "Sterneberger" Linie über dem vorstehend als Mooruntergrund definierten Klei überall zunächst schwach bis mäßig zersetzter Schilftorf; Mächtigkeit dieser Niedermoorschicht in der Regel 5 - 15 dm, an 12 % der Bohrungen (gehäuft im südöstlichen Drittel des Hochmoores) wesentlich darüber bis 5 m; an der Längsachse des Hochmoores sind diese Schichten noch außerordentlich wasserreich; daher sackungsfähig (zur Frage der Sackungen im Kehdinger Moor siehe auch die gründlichen Untersuchungen in Lit. ILNICKI und Mitarbeiter, 1977). Darüber meist mäßig, seltener stark zersetzter Hochmoortorf (Schwarztorf), an der Längsachse des Hochmoores ebenfalls noch sehr wasserreich; Mächtigkeit im allgemeinen 5 - 15 dm, an 10 % der Bohrungen (unregelmäßig verteilt) darüber, bis max. 2,9 m. Darüber auf 21,7 qkm schwach zersetzter Sphagnum-Torf (Weißtorf), vorwiegend Sphagna Cymbifolia, in den unteren Schichten aber auch Acutifolia weit verbreitet. Weißtorfmächtigkeit vorwiegend 1 - 2 m, im Mittel aller Bohrungen 1,3 m. Weißtorfvorräte ca. 28 Millionen cbm Frischtorf. In den Niedermoorgebieten überwiegend schwach bis mäßig, seltener stark zersetzter Schilf- oder Schilf-Seggentorf. Holzführende Torflagen sehr selten. Vereinzelt sehr geringmächtige Kleilagen im Torf.

Datierung:

Nach pollenanalytischen Arbeiten (Lit. SCHUBERT 1933) kann der Beginn der großflächigen Vermoorung über der Kleiablagerung auf rund 1000 Jahre vor Chr. angesetzt werden. Der Beginn der Weißtorfbildung fällt im wesentlichen in das jüngste Drittel des ersten Jahrtausends vor unserer Zeitrechung.

Fotos von Barbara und Eckhard Schmatzler stammen aus der Veröffentlichung Schmatzler, B. & Schmatzler, E. (2010). Moorland: Moorlandschaften in Niedersachsen nach industriellem Torfabbau. Ratingen: Industrieverband Garten e.V.