Bissendorfer Moor
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Geschichte der Moorkultivierung in Niedersachsen

Keine Nutzungsform prägt die niedersächsischen Moorflächen so, wie die Landwirtschaft. Aktuell werden ca. 73 % der kohlenstoffreichen Böden, von denen die meisten Moorböden sind, landwirtschaftlich genutzt. Dabei werden ca. 74 % der Niedermoorflächen und rund 53 % der Hochmoorflächen als Acker- oder Grünland bewirtschaftet [7]. Während die Niedermoore schon seit 900 Jahren landwirtschaftlich genutzt werden, hat die Nutzung der Hochmoore erst vor 350 Jahren begonnen. Die Unwegsamkeit und Nährstoffarmut der Hochmoore „schützte“ sie lange vor Nutzung und Besiedelung [11]. In den folgenden Jahrhunderten übernahmen die Menschen in Niedersachsen verschiedene Moorkultivierungsverfahren aus den Niederlanden und entwickelten später eigene modernere Verfahren. Somit konnten sie nach und nach die Moorböden in Acker- und Grünland umwandeln und zunehmend die Moorgebiete besiedeln [10]. Dennoch sind bis heute Unterschiede in der Besiedlungsdichte zwischen moorreichen und moorarmen Regionen in  Niedersachsen feststellbar, die sich auf die beschwerliche Besiedlung der Moorregionen zurückführen lassen [9]. Die Inkulturnahme der großen Hochmoorflächen wurde notwendig, um die anwachsende Bevölkerung zu ernähren, Siedlungsraum für diese zu gewinnen und Abwanderungen, z.B. nach Amerika, zu vermeiden. Für die Moorkultivierung wurden viele Arbeitskräfte benötigt. Diese wurden zuerst durch die Befreiung von Besteuerung und die Entbindung vom Militärdienst in die Ödnis des Moors gelockt, später wurden überwiegend Straf- und Kriegsgefangene für die Moorerschließung und für die Torfgewinnung eingesetzt. Auch Soldaten, sowie Geflüchtete und Vertriebene wurden in den Moorgebieten angesiedelt [10].

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Entwicklung der Moorkulturen nach [1, 3, 11]

Bis zum 11. Jahrhundert

Bis zum 11. Jahrhundert n. Chr. ging niemand freiwillig ins Moor. Die großen Moorkomplexe Niedersachsens trennten ganze Regionen voneinander und schufen kulturelle Grenzen, da sie ohne die Anlage fester Wege nicht passierbar waren. Nur in den Wintermonaten, wenn das Wasser im Moor gefroren war, wurde eine Überquerung der Moore möglich. Die Menschen siedelten auf der trockenen Geest unweit der nassen Landschaft, während das Moor nur an den trockeneren Rändern für den Torfabbau und als Weideland genutzt wurde. Die Moore galten als unheimliche Orte, über die sich die Menschen viele mystische und schaurige Sagen und Geschichten erzählten. So wurden beispielsweise Verbrecher nach ihrer Hinrichtung ins Moor gebracht. Es herrschte der Glaube, dass sie somit für immer verschwinden und es für sie nicht möglich sei, in anderer Gestalt zurückzukehren [10].

Moorkultivierung von Nieder- und Hochmooren

Auswirkungen der Moorkultur auf die Moorböden

Die Urbarmachung der niedersächsischen Moore war eine Aufgabe für viele Generationen. Über die Jahrhunderte wurden immer wieder neue Verfahren entwickelt, durch welche die Moore in nützliches Acker- oder Grünland umgewandelt werden sollten. Nicht alle Verfahren waren auf Dauer rentabel und wurden daher mehrfach durch effektivere und modernere Verfahren abgelöst. Letztendlich wurde mit dem Verfahren der Deutschen Sandmischkultur das effektivste Moorkultivierungsverfahren entwickelt, um Moorböden langfristig in tragfähige und ertragreiche Ackerböden umzuwandeln [8, 10]. Die Moorkultivierung wurde etwa ab den 1980er Jahren nicht weiterentwickelt, da es keinen zusätzlichen Bedarf an Agrarflächen mehr gab.

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Verbreitung der historischen Moorkulturgebiete (links) und der industriellen Moorkulturgebiete (rechts) in Niedersachsen (LBEG, unveröffentlicht)
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© LBEG
Installation einer Dränanlage für ein Experiment zur Unterflurbewässerung

Allen Verfahren der Moornutzung ist aber eine Sache gemein: Zuerst muss das Moor entwässert werden. Solange die Wasserstände nahe der Geländeoberfläche liegen, war eine konventionelle landwirtschaftliche Nutzung quasi ausgeschlossen. Die aufgeführten Verfahren unterscheiden sich auch in der Intensität des Eingriffs [1]. Mit der Entwässerung und der landwirtschaftlichen Nutzung wurden die natürlichen Moorbiotope zerstört. Auf extensivem Grünland konnten sich teilweise, aus artenschutzrechtlicher Perspektive, wertvolle sekundäre Feuchtbiotope entwickeln. Bei dem Abbau von Torf, aber auch bei den Verfahren der Fehnkultur, der Tiefpflugsandmischkultur, der Deutschen Sandmischkultur und der Baggerkuhlung wurden die Torfprofile nahezu komplett zerstört. Das ist ein höchst invasiver Eingriff in die Bodenentwicklung, welcher die natürliche Schichtfolge, die Archivfunktion und den Lebensraum Moor endgültig zerstört hat. Im Gegensatz dazu bleiben die Bodenprofile bei der Sanddeckkultur im Nieder- und Hochmoor erhalten, da sie lediglich überdeckt wurden. Im Laufe der Zeit sind dort aber auch die Torfe, bei Ackernutzung, über die regelmäßige Pflugtätigkeit in die Sanddecke eingearbeitet worden. Bei der Niedermoorschwarzkultur, dem Moorbrennen und der Deutschen Hochmoorkultur blieben die Moorbodenprofile intakt. Lediglich Düngungen und Kalkungen veränderten die chemische Zusammensetzung der Oberböden. Letztendlich ließen sich Moorböden ohne Umbruch oder Besandung nicht in ergiebige Ackerstandorte umwandeln [1]. Stattdessen werden sie als extensives oder intensives Grünland bewirtschaftet und gelten in der landwirtschaftlichen Praxis als absolute Grünlandstandorte [2]. Umgebrochene Moorböden sind auch weiterhin als ertragreiche Ackerstandorte geeignet [1, 8].

Literatur

[1] Blankenburg, J. (2015): Die landwirtschaftliche Nutzung von Mooren in Nordwestdeutschland. TELMA, 5, 39-58.

[2] Boess, J., Fortmann, J., Müller, U., & Severin, K. (2011): Kriterienkatalog Nutzungsänderung von Grünlandstandorten in Niedersachsen. Oldenburg (Landwirtschaftskammer Niedersachsen). 

[3] Göttlich, K., & Kuntze, H. (1990): Moorkultivierung für Land- und Forstwirtschaft. In K. Göttlich (Hrsg.), Moor- und Torfkunde Stuttgart (E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung). 

[4] Günther, J. (2012): Die Moorbrandkultur und der Buchweizenanbau als eine frühe Form der landwirtschaftlichen Hochmoornutzung in Nordwestdeutschland. TELMA, 42, 57 - 70. 

[5] Haverkamp, M. (2011): Binnenkolonisierung, Moorkultivierung und Torfwirtschaft im Emsland unter besonderer Berücksichtigung des südlichen Bourtanger Moores – Entwicklungslinien und Forschungsstand. TELMA, 41, 257-282.

[6] NIBIS® Kartenserver (2022): Boden- und Moorkarte des Emslandes (BMK5).

[7] NIBIS® Kartenserver (2022): Kohlenstoffreiche Böden in Niedersachsen - Landnutzung nach ATKIS® (ATKISH).

[8] Kuntze, H. (1974): Meliorationsbeispiel Sandmischkultur. Kolloquiumsbeitrag zum Thema: Meliorative Bodenbearbeitung.

[9] Rösel, L. R., F. (2020): Einfluss der Moorflächen auf die Besiedlung Niedersachsen zwischen 1821 und 2018. TELMA, 50, 29-44.

[10] Schmatzler, B., & Schmatzler, E. (2010): Moorland. Moorlandschaften in Niedersachsen nach industriellem Torfabbau. Ratingen (Industrieverband Garten e.V.).

[11] Schmatzler, E. (2015): Moornutzung und Moorschutz in Niedersachsen – Geschichtlicher Rückblick und zukünftige Entwicklung. TELMA, Beiheft 5, 19-38. 

[12] Zeitz, J. (2003): Moorkulturen. In H.-P. Blume, P. Felix-Henningsen, H.-G. Frede, G. Guggenberger, R. Horn & K. Stahr (Hrsg.), Handbuch der Bodenkunde, Loseblattsammlung: 1-36. Landsberg/Lech.

Martha Graf (LBEG), Vera Bruns & Paul Matras (LBEG) (2022)