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Ökosystemleistungen von Mooren

Aus der gesellschaftlichen Perspektive heraus erbringt ein Ökosystem bestimmte Ökosystemleistungen, die zum menschlichen Wohlergehen beitragen. Das Ökosystem erfüllt diese Leistungen meist ohne menschliches Zutun, weswegen die gesellschaftlichen Vorteile daraus leicht übersehen werden. Als Folge der Nichtbeachtung können wertvolle Ökosystemleistungen geschädigt oder zerstört werden [17]. Das Konzept der Ökosystemleistungen soll naturnahen Ökosystemen, aber auch jenen die bereits vom Menschen verändert wurden, eine Bedeutung für das menschliche Wohlergehen zuweisen. Entscheidungstragenden wird so die Möglichkeit gegeben, den gesellschaftlichen Mehrwert vom Erhalt oder aber die Kosten für den Verlust bestimmter Ökosysteme abschätzen zu können [17, 19]. Damit wird ein Instrument geschaffen, um den Wert eines Ökosystems volkswirtschaftlich zu beziffern. Die Ökosystemleistungen werden dabei in vier Bereiche unterteilt: Versorgungsleistungen, Regulationsleistungen, Kulturelle Leistungen und Basisleistungen. Die Gesamtheit der Ökosystemleistungen, also der Leistungen der Natur, stellt dabei das Naturkapital dar. [15]

Ökosystem: Ein Ökosystem ist eine abgrenzbare dynamische und komplexe Funktionseinheit, bestehend aus pflanzlichen, tierischen und mikrobiellen Gemeinschaften, einschließlich ihrer unbelebten Umwelt (z.B. Boden, Wasser) [15].

 

Naturkapital: Biologische Vielfalt und die Leistungen der Natur – unser Naturkapital – bilden die Grundlage für menschliches Wirtschaften und Wohlergehen. Natur ist neben dem Humankapital und dem Sachkapital ein Vermögen, aus dem wertvolle Leistungen hervorgehen [17]

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Übersicht über das Konzept der Ökosystemleistungen und die verschiedenen Bereiche (vereinfacht nach nach [15]).

In „naturnahen Mooren“ sind insbesondere die Regulationsleistungen auf das Klima- und Wassersystem von großer Bedeutung. Diese verändern sich oder gehen durch die Kultivierung bei der Entwässerung und Trockenlegung der Moore weitestgehend verloren [25]. An deren Stelle treten vorwiegend Versorgungsleistungen aus der Ressourcengewinnung oder der landwirtschaftlichen Produktion. Auch die kulturellen Leistungen hängen stark mit dem Zustand der Moore zusammen und verändern sich, wenn die Menschen in einer entwässerten, offenen Kulturlandschaft aus Kanalsystemen und Grünland, ihre Heimat gefunden haben. Letztendlich müssen die wirtschaftlichen Gewinne aus dem Ökosystem „entwässertes, genutztes Moor“, den gesellschaftlichen Kosten durch den Verlust der regulierenden und den sich veränderten kulturellen Leistungen einem „naturnahen Moor“ gegenübergestellt werden [4, 18].

Unter den Versorgungsleistungen wird im Allgemeinen die Entnahme von Produkten aus einem Ökosystem, in Niedersachsen meistens aus land- oder forstwirtschaftlichen Nutzflächen, verstanden. Das können Nahrungsmittel aus der Landwirtschaft, Baumaterial aus der Forstwirtschaft, Energie aus fossilen oder erneuerbaren Ressourcen oder Frischwasser sein [4].

Unter den Regulationsleistungen werden Ökosystemleistungen verstanden, die einen regulierenden Einfluss auf größere Umweltsysteme wie das Klima oder den Wasserkreislauf haben. Es wird also ein Beitrag zu einem größeren System geleistet und ein regulierender Einfluss auf dieses genommen [4].  

 

Unter den kulturellen Leistungen werden jene Leistungen eines Ökosystems zusammengefasst, die einen Einfluss auf die kulturelle Entwicklung der Gesellschaft, auf die Naturerfahrung oder den Wissenszuwachs haben [18].

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 „Naturnahe Moore“ und „Entwässerte genutzte Moore“ unterscheiden sich deutlich in ihren Ökosystemleistungen. Aus der Perspektive von Landnutzern und Landnutzerinnen sind entwässerte Moorböden gut nutzbare Grünland- und Ackerstandorte, die für die Gesellschaft wichtige Produkte produzieren [16]. Entwässerte Moore tragen vorwiegend durch Versorgungsleistungen aus der Ressourcengewinnung oder der landwirtschaftlichen Produktion zum menschlichen Wohlergeben bei. Die regulierenden und kulturellen Leistungen, die direkt an ein natürliches, nasses Moor gebunden sind, werden durch Entwässerung und Urbarmachung stark verändert, sind aber teilweise auch selbst wieder kulturbildend [25]. Durch den Klimawandel wird eine allgemeine Temperaturerhöhung sowie zunehmend trockenere Sommer in Niedersachsen erwartet [5]. Dadurch sind die regulierenden Eigenschaften der Moore auf das lokale und globale Klimasystem aber auch ihre Wasserspeicher und Wasserrückhaltefähigkeit von hervorgehobenem Interesse. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit die Wasserstände anzuheben und sie unter diesen zu bewirtschaften oder die Bewirtschaftung aufzugeben [18]. Zusätzlich werden naturnahe und wachsende Moore benötigt, in denen die einheimische Flora und Fauna der Hoch- und Niedermoore einen Rückzugsort findet. Aber auch Menschen die sich gerne in der Natur aufhalten wollen, sollen die Möglichkeit erhalten ein möglichst ursprüngliches und wildes Moor erleben zu können [20]. Aber welches Interesse überwiegt im Einzelfall? Die Entscheidung kann durch das Konzept der Ökosystemleistungen erleichtert werden. Die Benefits aus verschiedenen Zuständen eines Ökosystems werden in verschiedene Bereiche unterteilt und so wird eine umfängliche Entscheidungsgrundlage geboten, in dessen Mittelpunkt das menschliche Wohlergehen in der Gesellschaft steht. 

Literatur

[1] Amberger-Ochsenbauer, S., Meineken, E. (2020): Torf und alternative Substratausgangsstoffe. Bonn (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung; BLE).

[2] Bauerochse, A., & Metzler, A. (2015): Moore als Archive der Natur- und Kulturgeschichte – das Arbeitsgebiet der Moorarchäologie. TELMA, 5, 93-112.

[3] Boess, J., Fortmann, J., Müller, U., & Severin, K. (2011): Kriterienkatalog Nutzungsänderung von Grünlandstandorten in Niedersachsen. Oldenburg (Landwirtschaftskammer Niedersachsen). 

[4] Bonn, A., Allott, T., Evans, M., Joosten, H., & Stoneman, R. (2016): Peatland restoration and ecosystem services: An Introduction. In A. Bonn, T. Allott, M. Evans, H. Joosten & R. Stoneman (Hrsg.), Peatland Resotration and Ecosystem Services. Science, Policy and Practice (pp. 1-16). Cornwall (Cambridge University Press).

[5] DWD, Deutscher Wetterdienst (2018): Klimareport Niedersachsen. Fakten bis zur Gegenwart-Erwartungen für die Zukunft (pp. 52). Offenbach am Main.

[6] Verein Deutscher Naturparke e.V. (2019): Strukturen, Leistungen und Perspektiven der Naturparke in Niedersachsen. Bonn (Verband Deutscher Naturparke e.V.).

[7] Verein Deutscher Naturparke e.V. (2018): Naturparke in Deutschland 2030 - Aufgaben und Ziele. 4. Fortschreibung, beschlossen auf der Mitgliederversammlung am 18.09.2022.

[8] VDI - Verein Deutscher Ingenieure (2022): VDI-Fachbereich Bionik. Internet: https://www.vdi.de/tg-fachgesellschaften/vdi-gesellschaft-technologies-of-life-sciences/bionik

[9] Höper, H. (2022): Rohstoffbericht Niedersachsen. Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie. (unveröffentlicht, mündliche Mitteilung).

[10] Ickerodt, U. (2008): "Oh schaurig ist's, übers Moor zu gehen" - Zur gesellschaftlichen Wahrnehmung des Moorleichenfundes "Moora", dem Mädchen aus dem Uchter Moor, am Beispiel von Film und Belletrstik. In A. Bauerochse, Hassmann, H. & Püschel, K. (Hrsg.), "Moora" - Das Mädchen aus dem uchter Moor. Eine Moorleiche der Eisenzeit aus Niedersachsen I. Materialhefte zur Ur- und Frühgeschcihte Niedersachsens (Vol. 37, pp. 117-136). Rahmen/Westfalen.

[11] Joosten, H., Sirin, A., Couwenberg, J., Laine, J., & Smith , P. (2016): The role of peatlands in climate regulation In A. Bonn, T. Allott, M. Evans, H. Joosten & R. Stoneman (Hrsg.), Peatland Resotration and Ecosystem Services. Science, Policy and Practice. Cornwall (Cambridge University Press).

[12] NIBIS® Kartenserver (2022): Kohlenstoffreiche Böden in Niedersachsen - Landnutzung nach ATKIS® (ATKISH).

[13] NIBIS® Kartenserver (2022): Treibhausgasemissionen der kohlenstoffreichen Böden in Niedersachsen (BHK50THG).

[14] BTE Tourismus- und Regionalberatung PartG mdB (2016): Naturtourismus in Deutschland 2016. Berlin.

[15] Millennium Eocosystem Assessment (MA). (2005): Ecosystems and Human Well-being. Synthesis. (pp. 137). Washington D.C: (Island Press).

[16] Minßen, F.-J., Klinck, L., & Krause, A. (2022): Zukunft der Moorstandorte in Niedersachsen. Fakten, Fragen, Handlungsansätze. (pp. 51). Ovelgünne (Grünlandzentrum Niedersachsen/Bremen e.V.). 

[17] Naturkapital Deutschland - TEEB DE (2012): Der Wert der Natur für Wirtschaft und Gesellschaft. Eine Einführung. (pp. 90) (München, ifuplan; Leipzig, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ, Bonn, Bundesamt für Naturschutz). 

[18] Naturkapital Deutschland - TEEB DE (2015): Naturkapital und Klimapolitik - Synergien und Konflikte. Berlin, Leipzig (Technische Universität Berlin, Helmholtzzentrum für Umweltforschung UFZ). 

[19] Naturkapital Deutschland - TEEB DE. (2018): Werte der Natur aufzeigen und in Entscheidungen integrieren - Eine Synthese. Leipzig (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ). 

[20] Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz. (2016): Programm Niedersächsische Moorlandschaften (pp. 71). Hannover (Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz).

[21] Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz (2022): Niedersächsische Strategie zur Anpassung an die Folgen des Klimawandeks 2021. Hannover.

[22] Schmatzler, B., & Schmatzler, E. (2010): Moorland. Moorlandschaften in Niedersachsen nach industriellem Torfabbau. Ratingen (Industrieverband Garten e.V.).

[23] Succow, M. J., Lebrecht. (2022): Deutschlands Moore. Ihr Schicksal in unserer Kulturlandschaft. Rangsdorf (Natur+Text GmbH).

[24] Tegetmeyer, C., Bathelmes, K.-D., Busse, S. & Barthelmes, A. (2021): Aggregierte Karte der organischen Böden Deutschlands. Greifswald Moor Centrum-Schriftenreihe  01/2021, 10.

[25] Tiemeyer, B., Bechtold, M., Belting, S., Freibauer, A., Förster, C., Schubert, E., Dettmann, U., Frank, S., Fuchs, D., Gelbrecht, J., Jeuther, B., Laggner, A., Rosinski, E., Leiber-Sauheitl, K., Sachtleben, J., Zak, D., & Drösler, M. (2017): Moorschutz in Deutschland – Optimierung des Moormanagements in Hinblick auf den Schutz der Biodiversität und der Ökosystemleistungen. Bewertungsinstrumente und Erhebung von Indikatoren. (Vol. BfN-Skripten pp. 319)(Bundesamt für Naturschutz). 

[26] Umweltbundesamt. (2021): Gesellschaftliche Kosten von Umweltbelastungen. Internet: https://www.umweltbundesamt.de/daten/umwelt-wirtschaft/gesellschaftliche-kosten-von-umweltbelastungen#umweltkosten-von-baustoffen

[27] Wichmann, S., Nordt, A., & Schäfer, A. (2022): Lösungsansätze zum Erreichen der Klimaschutzziele und Kosten für die Umstellung auf Paludikultur. Hintergrundpapier zur Studie „Anreize für Paludikultur zur Umsetzung der Klimaschutzziele 2030 und 2050". Berlin (Deutsche Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt (DEHSt). 

[28] Zak, D., Steffenhagen, P., Gelbracht, J. (2010): Boden- und wasserchemische Veränderungen in degradierten Torfmoosmooren und Möglichkeiten ihrer Restaurierung unter Naturschutzaspekten – dargestellt am Beispiel Berliner Moore. TELMA, 39, 119-138.

[29] Zak, D., Wagner, C., Payer, B., Augustin, J., & Gelbrecht, J. (2010): Phosphorus mobilization in rewetted fens: the effect of altered peat properties and implications for their restoration. Ecological Applications, 20(5), 1336-1349.

LBEG: Paul Matras (2022)