Unter den kulturellen Leistungen werden jene Leistungen eines Ökosystems zusammengefasst, die einen Einfluss auf die kulturelle Entwicklung der Gesellschaft, auf die Naturerfahrung oder den Wissenszuwachs haben [18].
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Kulturelle Leistungen von Mooren

Niedersachsen ist Moorland! Das bedeutet, dass die Niedersachsen schon immer mit dem „Nachbarn Moor“ gelebt haben. Einst waren Moore kaum passierbare, gefährliche und mystifizierte Orte. Dennoch sind wir Menschen den Mooren im Laufe der Zeit „Herr“ geworden und haben sie mit Entwässerungsgräben durchzogen, den Torf abgebaut und sie umgegraben. Heute existieren nur noch rudimentäre Reste der einst ausgedehnten Moorlandschaften.

 

Einstellung zum Moor

 

In der Allgemeinheit gelten Moore weithin als gefährliche Orte und Heimat böser Geister und anderer mystischer Wesen. Hierbei handelt es sich um kulturelle Zuschreibungen die aus einer fehlenden gesellschaftlichen Ordnung im unaufgeräumten Ödland Moor resultieren. Die Moore blieben lange von jedem Fortschritt unangetastet und wurden als wilde, rückständige Landschaften betrachtet. Daher ist es nachvollziehbar, dass sie als Heimat von übernatürlichen Wesen angesehen wurden, die in der modernen Welt um die Moore herum keinen Platz mehr fanden [10]. Andererseits sind Moore auch faszinierende Biotope mit einer ungewöhnlichen Flora und Fauna und gelten mitunter noch heute als wilde Natur [20]. Insbesondere naturnahe Moore stellen darüber hinaus wichtige Räume für die regionale Bildung für eine nachhaltige Entwicklung dar.

 

Künstlerische Auseinandersetzung & Mythologie

 

Moore sind seit jeher auch Inspirationsquelle für Kunstschaffende jedweder Couleur. Viele Lyriker und Lyrikerinnen wie Anette von Droste-Hülshoff, Christian Morgenstern, Herrmann Löns oder Hans-Christian Andersen setzten sich in ihren Werken mit den Mooren auseinander. Moore spielen darüber hinaus auch in der Mythologie Niedersachsens, in Liedern und Gedichten eine Rolle und inspirierten dabei eine Vielzahl von Menschen. Die Künstlerinnen und Künstler um Fritz Mackensen illustrierten um 1900 auf einer Vielzahl von Gemälden die bereits anfänglich kultivierte Moorlandschaft im und um das Teufelsmoor bei Bremen. [23]. Auch in Filmen und in Videospielen wie „Moorhuhn“ werden Moore wegen ihrer mystifizierten Atmosphäre als Schauplätze ausgewählt und inszeniert. Über die Jahrtausende des Nebeneinanders mit dem Menschen wurde den Mooren in unserer Kultur eine ganz besondere Mythologie zugeschrieben.

 

Erholungsfunktion

 

Viele Menschen halten sich gerne in der Natur auf, sei es um zu wandern, Fahrrad zu fahren oder um Fotos aufzunehmen. Die Möglichkeiten, sich körperlich und geistig in der Natur auszuleben, sind vielfältig und werden gemeinhin als Erholungs- und Gesundheitsfunktion von Ökosystemen bezeichnet [4, 25]. Einem Großteil der Bevölkerung ist darüber hinaus wichtig, sich regelmäßig in der Natur aufzuhalten [14]. Insbesondere großflächige Natur- bzw. Kulturlandschaften sind beliebte Ausflugziele. Durch die Förderung des nachhaltigen Tourismus, die Einrichtung lokaler Museen, die Ausweisung von Schutzgebieten und eine umweltverträgliche landwirtschaftliche Nutzung sollen die ländlichen Regionen gestärkt werden. Ein Konzept nach dem die gemeinsame Entwicklung der Natur und Region vorangebracht wird, sind Naturparke. In den Naturparken „Steinhuder Meer“, „Bourtanger Moor – Veenland“, „dem Dümmer“ und einigen weiteren sind Moorlandschaften und deren Biotopschutz von herausragender Bedeutung [6]. Die Einnahmen aus dem Tourismus sind eine direkte Wertschöpfung aus den dortigen Natur- und Kulturlandschaften [7].

 

Archivfunktion

 

Eine sehr bedeutende kulturelle Leistung erbringen die Moore als kulturhistorische und umweltgeschichtliche Archive. Die Archivfunktion entsteht durch die konservierende Wirkung des Torfes. Durch das nasse und saure Milieu existieren im Torf nur wenige Mikroorganismen und dort eingelagerte Gegenstände bleiben über Jahrtausende erhalten. Die häufig noch mit Haut und Haaren erhaltenen Moorleichen belegen das eindrucksvoll [23]. Als Umweltarchiv bieten die niedersächsischen Moore wesentliche Einblicke in die Landschafts- und Vegetationsentwicklung seit dem Ende der letzten Eiszeit vor 12.000 Jahren. Über die Zusammensetzung der Torfe, Pollenanalysen oder die Dendrochronologie konnten in Mooren viele wertvolle Informationen über die Vegetations- und Siedlungsgeschichte in Deutschland gewonnen werden [2].

 

Spezialisierte Arten/ Genpool

 

Letztendlich stellen Moore durch ihren Feuchtgebietscharakter einzigartige Biotope dar, in denen sich eine ganz spezielle Pflanzen- und Tierwelt entwickelt hat. Zusätzlich sind sie Rastgebiet für viele verschiedene Zugvogelarten. Moore tragen so zur Aufrechterhaltung der biologischen Vielfalt bei und bieten einer einzigartigen Flora und Fauna überlebenswichtige Rückzugsräume [20]. Diese gilt es auch für nachfolgende Generationen zu erhalten. Die Erhaltung einer möglichst hohen Biodiversität hat aber noch weitere Vorteile für den Menschen. Beispielsweise werden im Fachbereich der Bionik Phänomene und Anpassungen aus der Natur in technische Innovationen übertragen. Die Evolution hatte viele Millionen Jahre Zeit, geeignete Anpassungen für verschiedenste physikalische und chemische Herausforderungen hervorzubringen. Diesen „Wissensschatz“ gilt es ebenfalls zu erhalten [8]. Die evolutionäre Anpassung der Torfmoose (Sphagnum) an den Lebensraum im Hochmoor ist zum Beispiel hochgradig spezialisiert und an hohe Wasserstände sowie eine akute Nährstoffarmut in einem sehr sauren Milieu angepasst. Wegen dieser Eigenschaften ist Torf auch heute noch ein bedeutendes Ausgangssubstrat für Kultursubstrate in der Pflanzenbauindustrie. Der Einsatz möglicher Torfersatzstoffe (Holz, Kokosfasern, Reisspelzen, usw.) wird aufgrund von hohen Gehalten an Nährstoffen und Ballastsalzen sowie einem zu hohen pH-Wert begrenzt [1].

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Bereitstellung von ausgewählten Versorgungsleistungen von Moorstandorten in Abhängigkeit von Wasserhaushalt und Nutzung. * gilt für naturnahe hydrologische Bedingungen. Erläuterung: (positive Wirkung: +++ stark; ++ mittel; + vorhanden; negative Wirkung: --- stark; -- mittel; - vorhanden; keine Wirkung: 0; entwickelt sich über die Zeit: ~) (verändert nach [18]).

[1] Amberger-Ochsenbauer, S., Meineken, E. (2020): Torf und alternative Substratausgangsstoffe. Bonn (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung; BLE).

[2] Bauerochse, A., & Metzler, A. (2015): Moore als Archive der Natur- und Kulturgeschichte – das Arbeitsgebiet der Moorarchäologie. TELMA, 5, 93-112.

[3] Boess, J., Fortmann, J., Müller, U., & Severin, K. (2011): Kriterienkatalog Nutzungsänderung von Grünlandstandorten in Niedersachsen. Oldenburg (Landwirtschaftskammer Niedersachsen). 

[4] Bonn, A., Allott, T., Evans, M., Joosten, H., & Stoneman, R. (2016): Peatland restoration and ecosystem services: An Introduction. In A. Bonn, T. Allott, M. Evans, H. Joosten & R. Stoneman (Hrsg.), Peatland Resotration and Ecosystem Services. Science, Policy and Practice (pp. 1-16). Cornwall (Cambridge University Press).

[5] DWD, Deutscher Wetterdienst (2018): Klimareport Niedersachsen. Fakten bis zur Gegenwart-Erwartungen für die Zukunft (pp. 52). Offenbach am Main.

[6] Verein Deutscher Naturparke e.V. (2019): Strukturen, Leistungen und Perspektiven der Naturparke in Niedersachsen. Bonn (Verband Deutscher Naturparke e.V.).

[7] Verein Deutscher Naturparke e.V. (2018): Naturparke in Deutschland 2030 - Aufgaben und Ziele. 4. Fortschreibung, beschlossen auf der Mitgliederversammlung am 18.09.2022.

[8] VDI - Verein Deutscher Ingenieure (2022): VDI-Fachbereich Bionik. Internet: https://www.vdi.de/tg-fachgesellschaften/vdi-gesellschaft-technologies-of-life-sciences/bionik

[9] Höper, H. (2022): Rohstoffbericht Niedersachsen. Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie. (unveröffentlicht, mündliche Mitteilung).

[10] Ickerodt, U. (2008): "Oh schaurig ist's, übers Moor zu gehen" - Zur gesellschaftlichen Wahrnehmung des Moorleichenfundes "Moora", dem Mädchen aus dem Uchter Moor, am Beispiel von Film und Belletrstik. In A. Bauerochse, Hassmann, H. & Püschel, K. (Hrsg.), "Moora" - Das Mädchen aus dem uchter Moor. Eine Moorleiche der Eisenzeit aus Niedersachsen I. Materialhefte zur Ur- und Frühgeschcihte Niedersachsens (Vol. 37, pp. 117-136). Rahmen/Westfalen.

[11] Joosten, H., Sirin, A., Couwenberg, J., Laine, J., & Smith , P. (2016): The role of peatlands in climate regulation In A. Bonn, T. Allott, M. Evans, H. Joosten & R. Stoneman (Hrsg.), Peatland Resotration and Ecosystem Services. Science, Policy and Practice. Cornwall (Cambridge University Press).

[12] NIBIS® Kartenserver (2022): Kohlenstoffreiche Böden in Niedersachsen - Landnutzung nach ATKIS® (ATKISH).

[13] NIBIS® Kartenserver (2022): Treibhausgasemissionen der kohlenstoffreichen Böden in Niedersachsen (BHK50THG).

[14] BTE Tourismus- und Regionalberatung PartG mdB (2016): Naturtourismus in Deutschland 2016. Berlin.

[15] Millennium Eocosystem Assessment (MA). (2005): Ecosystems and Human Well-being. Synthesis. (pp. 137). Washington D.C: (Island Press).

[16] Minßen, F.-J., Klinck, L., & Krause, A. (2022): Zukunft der Moorstandorte in Niedersachsen. Fakten, Fragen, Handlungsansätze. (pp. 51). Ovelgünne (Grünlandzentrum Niedersachsen/Bremen e.V.). 

[17] Naturkapital Deutschland - TEEB DE (2012): Der Wert der Natur für Wirtschaft und Gesellschaft. Eine Einführung. (pp. 90) (München, ifuplan; Leipzig, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ, Bonn, Bundesamt für Naturschutz). 

[18] Naturkapital Deutschland - TEEB DE (2015): Naturkapital und Klimapolitik - Synergien und Konflikte. Berlin, Leipzig (Technische Universität Berlin, Helmholtzzentrum für Umweltforschung UFZ). 

[19] Naturkapital Deutschland - TEEB DE. (2018): Werte der Natur aufzeigen und in Entscheidungen integrieren - Eine Synthese. Leipzig (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ). 

[20] Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz. (2016): Programm Niedersächsische Moorlandschaften (pp. 71). Hannover (Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz).

[21] Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz (2022): Niedersächsische Strategie zur Anpassung an die Folgen des Klimawandeks 2021. Hannover.

[22] Schmatzler, B., & Schmatzler, E. (2010): Moorland. Moorlandschaften in Niedersachsen nach industriellem Torfabbau. Ratingen (Industrieverband Garten e.V.).

[23] Succow, M. J., Lebrecht. (2022): Deutschlands Moore. Ihr Schicksal in unserer Kulturlandschaft. Rangsdorf (Natur+Text GmbH).

[24] Tegetmeyer, C., Bathelmes, K.-D., Busse, S. & Barthelmes, A. (2021): Aggregierte Karte der organischen Böden Deutschlands. Greifswald Moor Centrum-Schriftenreihe  01/2021, 10.

[25] Tiemeyer, B., Bechtold, M., Belting, S., Freibauer, A., Förster, C., Schubert, E., Dettmann, U., Frank, S., Fuchs, D., Gelbrecht, J., Jeuther, B., Laggner, A., Rosinski, E., Leiber-Sauheitl, K., Sachtleben, J., Zak, D., & Drösler, M. (2017): Moorschutz in Deutschland – Optimierung des Moormanagements in Hinblick auf den Schutz der Biodiversität und der Ökosystemleistungen. Bewertungsinstrumente und Erhebung von Indikatoren. (Vol. BfN-Skripten pp. 319)(Bundesamt für Naturschutz). 

[26] Umweltbundesamt. (2021): Gesellschaftliche Kosten von Umweltbelastungen. Internet: https://www.umweltbundesamt.de/daten/umwelt-wirtschaft/gesellschaftliche-kosten-von-umweltbelastungen#umweltkosten-von-baustoffen

[27] Wichmann, S., Nordt, A., & Schäfer, A. (2022): Lösungsansätze zum Erreichen der Klimaschutzziele und Kosten für die Umstellung auf Paludikultur. Hintergrundpapier zur Studie „Anreize für Paludikultur zur Umsetzung der Klimaschutzziele 2030 und 2050". Berlin (Deutsche Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt (DEHSt). 

[28] Zak, D., Steffenhagen, P., Gelbracht, J. (2010): Boden- und wasserchemische Veränderungen in degradierten Torfmoosmooren und Möglichkeiten ihrer Restaurierung unter Naturschutzaspekten – dargestellt am Beispiel Berliner Moore. TELMA, 39, 119-138.

[29] Zak, D., Wagner, C., Payer, B., Augustin, J., & Gelbrecht, J. (2010): Phosphorus mobilization in rewetted fens: the effect of altered peat properties and implications for their restoration. Ecological Applications, 20(5), 1336-1349.

LBEG: Paul Matras (2022)

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