IMG_0198_16_9_sieber.jpg
© Sieber
Archive der Naturgeschichte

Im aufwachsenden Hoch- und Niedermoor sammelt sich allerhand Material aus der Umgebung. Im wassergesättigten Milieu der Moore wird dieses nicht von Mikroorganismen abgebaut, sondern dauerhaft konserviert. Dabei kann es sich einerseits um kulturelle Funde, andererseits um erkennbare Überreste von Pflanzen, Tieren oder um weitere organischen Stoffen wie z.B. Holzkohlen oder Aschen handeln [3].

Die Untersuchung eines Torfprofils auf pflanzliche Überreste lässt Rückschlüsse auf die Entwicklung der Natur und Landschaft an einem bestimmten Standort oder in einer Region zu. Da die Moore sedentär, also schichtweise von unten nach oben aufwachsen, geben die dort gespeicherten Informationen die Entwicklung in einer chronologischen Zeitreihe wieder. Dabei liegt üblicherweise das alte Material unten und wird mit zunehmender Nähe zur Oberfläche hin jünger. Mit Altersdatierungen einzelner Schichten kann so eine relative Chronologie über das untersuchte Profil und den dort eingelagerten pflanzlichen Überresten erstellt werden.

 

 

Um die Moore mit all ihren Informationen zu erhalten, ist der Schutz der Moore als Archive der Natur- und Kulturgeschichte im Bundes-Bodenschutzgesetz geregelt [7].

 

Pollen im Moor

IMG_5900.JPG

Der Fachbereich der Palynologie beschäftigt sich mit der Auswertung von Pollenkörnern und ist wohl die verbreitetste Methode zur Rekonstruktion früherer Umweltbedingungen aus Mooren und ihrer umliegenden Gebiete [8]. Aus einer Bohrung können Proben aus den verschiedenen Torfschichten entnommen, die in der Regel mit geringer werdenden Abstand zur Oberfläche jünger werden. Die entnommenen Proben werden dann unter dem Mikroskop auf Pollenkörner untersucht. Aus der Häufigkeit von Pollenkörnern verschiedener Arten innerhalb einer Probe lassen sich Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Pflanzengesellschaften ziehen [6, 17]. Durch Vergleiche mit Pflanzengesellschaften an anderen, zum Beispiel unberührten Standorten oder in anderen klimatischen Bereichen, können größere Einflussfaktoren wie das Klima oder die Besiedlungsgeschichte rekonstruiert werden [6, 16]. So kann mit der Untersuchung einer Bohrung und Erstellung eines Pollenprofil, in dem die Ergebnisse der Auszählungen zusammengefasst dargestellt sind, die Geschichte der Vegetation an einem Standort bzw. der Umgebung, sozusagen im Einzugsgebiet eines Moores, rekonstruiert werden. Abhängig von ihrer Form können Pollenkörner unterschiedlich weit mit dem Wind transportiert werden. Deshalb lässt ein Pollenprofil nicht nur Aussagen über die Vegetation am Standort der Probenname zu, sondern ermöglicht meist auch Rückschlüsse auf die Vegetation in der Umgebung des Moors [12].

Pollenprofile beinhalten sogenannte Siedlungszeiger, das sind Pollenkörner von Pflanzen, die der Mensch kultiviert hat oder Pflanzen, deren Auftreten durch anthropogene Aktivität vermehrt gefördert wurde [4]. Typische Anzeiger für siedelnde Menschen in der Umgebung sind Pflanzen, die beispielsweise mit landwirtschaftlichen Aktivitäten einhergehen, wie Pollenkörner von Getreide. Aber auch Veränderungen in der Artenzusammensetzung, die durch den Menschen verursacht sind (wie z.B. die Abholzung von Wäldern zugunsten von offenen Landschaften wie Wiesen und Weiden, wodurch die Anzahl der Pollenkörner von Baumarten abnimmt und jene von Gräsern und Kräutern zunimmt), können in Pollenprofilen deutlich erkennbar sein [17-18].

Subatlantikum_beschriftet.jpg
Pollenkörner unter dem Mikroskop, dabei sind Rumex (Ampfer) und Plantago lanceolata (Spitzwegerich) Kulturzeiger, während Betula (Birke) und Quercus (Eiche) auf Baumarten hinweisen.
Pollendiagramm_MoorIS.jpg
Beispielhaftes Pollendiagramm aus der montanen Stufe Mitteleuropas. Für jede an der oberen Zeile genannte Art zeigt die darunter liegende, von oben nach unten verlaufende Kurve die Anzahl der Pollenkörner in Proben der Bohrung. Von oben nach unten ist dabei die Tiefe in der Bohrung dargestellt, je tiefer desto älter das untersuchte Material. Für jede Probe wird die Anzahl der Pollenkörner jeder Art bestimmt und eine Kurve für jede Art erstellt, wie viele Pollenkörner in den Proben der unterschiedlichen Tiefen gezählt wurden. Der Verlauf der Kurve zur Pollenkörnerzahl pro Art reicht von links (keine oder geringe Anzahl an Körner dieser Art) nach rechts (höhere Anzahl der Pollenkörner dieser Art).
Makrorest - Holz
© Matras

  

Makrorestanalyse – Samen, Blätter oder Äste

In Mooren werden auch große pflanzliche Reste, die Makroreste konserviert. Bei der sogenannten Makrorestanalyse werden pflanzlichen Großreste ab einer Größe von 0,25 mm untersucht. Das können z.B. Samen, Nadeln, Blätter, Äste oder Früchte sein [5, 25]. Da diese Bestandteile meist nicht so weit transportiert werden, können aus deren Anwesenheit Aussagen zur vergangenen Vegetation am Standort der Probenahme getroffen werden. Dem gegenüber bildet ein Pollenprofil die Zusammensetzung der Vegetation der Umgebung ab, da viele Pollenkörner mit dem Wind in einem größeren Umkreis verbreitet werden können. Die Pflanzen, deren Makroreste aufgefunden werden, haben sehr wahrscheinlich unmittelbar in der Nähe des Fundortes gelebt [11, 25].

MW0061 (7)_Maike_clip.jpg
© Weduwen

 Holzkohle in den Torfschichten (Anthrakologie)

Aber nicht nur pflanzliche Überreste im Torf berichten von früheren Zeiten. Durch Brände im Moor gelangen auch Asche und Holzkohle in den Torf, die unter den anaeroben Bedingungen ebenfalls konserviert werden und wertvolle Informationen enthalten.

Die Anthrakologie, wie man die Analyse von Holzkohlepartikeln auch nennt, beschäftigt sich mit der Auswertung eben dieser Partikel. Aschen (Black Carbon) können durch den Wind und durch Regenfälle in ein Moor gelangen. Wenn diese darin konserviert werden, kann heute daraus abgelesen werden, wann es zu Bränden gekommen ist, was gebrannt hat und sogar ob diese Brände vom Menschen verursacht worden sind [14, 26].

 

24_Totes Moor_18.07 (25).jpg
© Matras

Informationen aus Baumringen

Teile oder sogar vollständige Stämme von Bäumen können in Mooren entdeckt werden. Bei geeigneten Funden und gutem Erhaltungsstand ist es möglich, die Baumringe zu analysieren und das Alter der Hölzer jahrgenau zu bestimmen [1]. Die Disziplin der Baumringdatierung nennt sich Dendrochronologie. Die Holzfunde aus Mooren eignen sich aufgrund ihrer guten Konservierung besonders gut dafür. Die Altersbestimmung erfolgt anhand der Jahrringe der Bäume. Die unterschiedlichen Breiten der Ringe resultieren aus dem Wachstum des Baums, welches vor allem vom Standort und der Witterung des jeweiligen Jahres abhängt. Anhand eines Vergleichs zwischen dem Wachstumsmuster der Baumringe und bestehenden Referenzmustern können den untersuchten Hölzern Wachstumszeiträumen zugeordnet werden [1-2, 13, 15, 22]. Naturwissenschaftler:innen können darüber hinaus anhand der verschieden dicken Jahrringe jahrgenaue, hochauflösende Aussagen zu klimatischen Bedingungen und Umweltveränderungen zu Lebzeiten der Bäume treffen, da das Wachstum der Bäume unter anderem von der Umwelt und dem Klima abhängt [2, 15]

Baumfunde können uns aber noch viel mehr verraten: Bäume können, wenn sie jahrgenau datiert werden, viele weitere Informationen zu Umweltbedingungen liefern. Es können singuläre Ereignisse (wie Naturkatastrophen z.B. Brände, Überflutung oder Stürme) und auch längerfristige Ereignisse wie Dürren, extreme Nässe oder mehrjährige Kälteeinbrüche in den einzelnen Jahrringen abgelesen werden [2, 22].

 

Ableitung der Umweltveränderungen aus dem Torf

Nicht nur Funde im Torf geben Hinweise auf die Vergangenheit. Der Torf an sich spricht auch seine eigene Sprache: Da die Torfe schichtweise aufwachsen, erzählt jede Schicht in ihrer Beschaffenheit eine eigene Geschichte der Vergangenheit.

Eine Möglichkeit Torfe zu unterscheiden ist, den Humifizierungsgrad zu betrachten. Während der Torfbildung haben dabei vor allem klimatische Bedingungen einen großen Einfluss auf die Zersetzung der abgestorbenen Biomasse [23].

Stark zersetzte Torfe zeigen kaum noch ursprüngliche Strukturen der Pflanzen. Nur schwer abbaubare Bestandteile von Pflanzen wie Baumharz oder Lignin sind oft noch erkennbar. Während der Bildung dieser Torfe zersetzen Mikroorganismen große Anteile des abgestorbenen Pflanzenmaterials und auch chemische Zersetzungsprozesse konnten stattfinden. Solche Torfe entstanden in der Vergangenheit unter wärmeren, feuchten klimatischen Bedingungen zu Beginn des Holozäns, also eher früh in der Entstehung der niedersächsischen Moore [19].

Das Gegenteil zu den stark zersetzten Torfen stellen schwach zersetzte Torfe dar. Schwach zersetzte Torfe zeigen noch große Anteile der ehemaligen Pflanzenbedeckung am Standort. Während der Entstehungszeit dieser Torfe wuchs die Vegetation am Standort schnell. Die große Masse der dann abgestorbenen Pflanzen wurde nur sehr langsam bis gar nicht durch Mikroorganismen abgebaut. Dafür benötigt es kühleres, sehr feuchtes Klima, wie das des Subatlantikums, im späteren Verlauf der Moorentstehung [19].

589K_010_Profil_Graf_16_9.jpg

 In vielen Mooren Mitteleuropas gibt es eine charakteristische Grenze zwischen schwach und stark zersetzten Torfen, die sich Grenzhorizont nennt. Dieser Grenzhorizont wird mit einem Wechsel der Umweltbedingungen in einen Zusammenhang gebracht [21]. Unter dem jüngeren und schwach zersetzten Torf, dem Weißtorf, liegt älterer, stärker zersetzter Torf, der Schwarztorf genannt wird [24]. Der Name Weißtorf wird von der helleren, gelblich-bräunlichen Farbe des gut erhaltenen Materials abgeleitet. Wissenschaftler:innen führen diese geänderten Ablagerungsbedingungen auf Veränderungen des damaligen Klimas zurück [10, 21]. Der Grenzhorizont unterstützt die grobe zeitliche Einordnung von Funden im Moor, soweit er am Standort eindeutig ausgeprägt ist. 

Literatur

[1] Baillie, M. (1995): A Slice through Time. Dendrochronology and precision Dating. London(Batsford).

[2] Bauerochse, A., Leuschner, B., & Leuschner, H. H. (2006): Moorhölzer und Archäologie–umweltgeschichtliche und siedlungsarchäologische Befunde. Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen, 26.2, 40-45

[3] Bauerochse, A., & Metzler, A. (2015): Moore als Archive der Natur- und Kulturgeschichte – das Arbeitsgebiet der Moorarchäologie. TELMA, 5, 93-112.

[4] Behre, K.-E. (1981): The interpretation of anthropogenic indicators in pollen diagrams. Pollen et spores, 23, 225-245.

[5] Birks, H. H. (2013): Plant Macrofossil Introduction. In S. A. Elias & C. J. Mock (Hrsg.), Encyclopedia of Quaternary Science (Elsevier.

[6] Birks, H. J. B. (1985): The use of pollen analysis in the reconstruction of past climate: a review. In T. M. L. Wigley, M. J. Ingram & G. Farmer (Hrsg.), Climate and History: Studies in Past Climate and their Impact on Man (Cambridge University Press.

[7] Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz-BBodSchG) (1998).

[8] Draxler, I. (2014): Archivwert der Moore im Dachsteingebiet. In U. Pistotnik, I. Spitzbart & J. T. Weidinger (Hrsg.), Der Dachstein im Klimawandel. Gmunden(Museum Gmunden: Erkudok-Institut.

[9] Firbas, F. (1949): Spät-und nacheiszeitliche Waldgeschichte Mitteleuropas nördlich der Alpen. Jena(G. Fischer).

[10] Fuchs, W. (1931): Der Torf. Die Chemie der Kohle. Berlin, Heidelberg(Springer).

[11] Heer, O. (1865): Die Pflanzen der Pfahlbauten Zürcher und Furrer, 68.

[12] Huntley, B., & Birks, H. J. B. (1983): An Atlas of past and Present Pollen Maps for Europe: 0–13000 years Ago. Cambridge(Cambridge University Press).

[13] Klein, P., & Eckstein, D. (1988): Die Dendrochronologie und ihre Anwendung. Spektrum der Wissenschaft, 1, 56–68.

[14] Lehndorff, E., Wolf, M., Litt, T., Brauer, A., & Amelung , W. (2015): 15,000 years of black carbon deposition – A post-glacial fire record from maar lake sediments (Germany). Quaternary Science Reviews, 110, 15-22.

[15] Leuschner, H. H., Sass-Klaassen, U., Jansma, E., Baillie, M. G. L., & Spurk, M. (2002): Subfossil European bog oaks: population dynamics and long-term growth depressions as indicators of changes in the Holocene hydro-regime and climate. The Holocene, 12(6), 695-706.

[16] Miehlich, G. (2009): Böden als Archive der Natur- und Kulturgeschichte. NNA-Berichte, 1.

[17] Moore, P. D., & Webb, J. A. (1978): An illustrated guide to pollen analysis. London(Hodder and Stoughton).

[18] Moore, P. D., Webb, J. A., & Collison, M. E. (1991): Pollen analysis. Oxford(Blackwell scientific publications).

[19] Overbeck, F. (1941): Entwicklung eines Hochmoores in Niedersachsen. In K. Gripp, F. Dervers & F. Overbeck (Hrsg.), Das Känozoikum in Niedersachsen (Tertiäar, Diluvium, Alluvium und Moore) (Vol. 3). Oldernburg i.O.(Gerhard Stalling AG.

[20] Overbeck, F. (1975): Botanisch-geologische Moorkunde: Unter besonderer Berücksichtigung der Moore Nordwestdeutschlands als Quellen zur Vegetations-, Klima- und Siedlungsgeschichte. Neumünster(Karl Wachholtz Verlag).

[21] Overbeck, F., Aletsee, L., Münnich, K. O., & Averdieck, F. R. (1957): Das Alter des „Grenzhorizonts “norddeutscher Hochmoore nach Radiocarbon-Datierungen. Flora oder Allgemeine Botanische Zeitung, 145(1-2), 37-71.

[22] Schweingruber, F. H. (1983): Der Jahrring. Standort, Methodik, Zeit und Klima in der Dendrochronologie. Bern(Haupt).

[23] Von Post, L. (1924): Das genetische System der organogenen Bildungen Schwedens. . Comité international de Pédologie IV. Communication, 22, 287 - 304.

[24] Wassnik, E. C. (1940): Ueber den Grenzhorizont in Niederländischen Hochmooren. Recueil des travaux botaniques néerlandais, 36(2), 502 - 508.

[25] Willerding, U. (2007): Zur forensischen Bedeutung pflanzlicher Makroreste Biologische Spurenkunde (pp. 169-191). Berlin, Heidelberg(Springer.

[26] Zech, W., Schad, P., & Hintermaier-Erhard, G. (2014): Boreale Zone (Taiga; kalt-gemäßigte Zone) Böden der Welt (pp. 10-25). Berlin, Heidelberg(Springer Spektrum). 

LBEG: Ann Christin Sieber, Paul Matras, Katharina Hauck-Bramsiepe (2023)