873. Bourtanger Moor

873 C. Das südliche Bourtanger Moor

Allgemeine Beschreibung:

Mit rund 1200 qkm ursprünglicher Gesamtfläche war das Bourtanger Moor (im folgenden abgekürzt mit B. M.) das größte zusammenhängende Moorgebiet Mitteleuropas. Ungefähr 1/3 davon lag im deutschen Bereich, 2/3 gehörten zu den Niederlanden. Von dieser Fläche ist in den Niederlanden nur noch ein unbedeutender Rest, in Deutschland weniger als die Hälfte (rund 160 qkm) an reinem Moorboden übriggeblieben. Während die Holländer, namentlich von Groningen aus, bereits seit dem 17. Jahrhundert mit der dort eigens entwickelten "Fehnkultur" intensive Kolonisation betrieben (Lit.: WINTERBERG 1957), ließ eine entsprechend erfolgreiche Entwicklung im deutschen Bereich bis in die jüngste Vergangenheit auf sich warten. Ursache waren teils die in beiden Ländern unterschiedlichen siedlungspolitischen Bedürfnisse, teils aber auch die wasserwirtschaftlich viel ungünstigere Ausgangssituation im deutschen Bereich des B. M. Der heutige Verlauf der deutsch-holländischen Grenze durch das B. M. geht im wesentlichen auf ein Abkommen im Jahre 1784 zurück.
SCHOENINGH (1911) entwirft für das B.M. noch zu Anfang unseres Jahrhunderts ein eindrucksvolles Bild: "Diese unabsehbar wüste Moorfläche erhebt sich auf einem welligen, sandigen Untergrund zu einer Mächtigkeit bis 9 m, sie macht auf den Besucher zuerst einen außerordentlich traurigen Eindruck. Man findet hier Stellen, wo nur der Horizont den Gesichtskreis der Augen begrenzt; hier und da tauchen einzelne spärliche Ansiedlungen wie kleine Inseln auf hohem Meere auf, um nach einiger Zeit wieder dem Gesichtskreis des Wanderers zu entschwinden".
Nachdem Graf Ernst Wilhelm von Bentheim im Jahre 1683 durch den Couvordener Arzt PICCARD am damaligen Südrand des B. M. die Siedlung "Alte Piccardie" hatte gründen lassen, kam es erst 100 Jahre später (1782) zu einer weiteren Neugründung, nämlich der "Neuen Piccardie", des heutigen Georgsdorf. Um 1788 versuchte die fürstbischöflich münstersche Regierung, der damals das Amt Meppen unterstand, die Kolonisation durch Gründung einer Reihe weiterer Moorkolonien voranzutreiben; dazu gehörten u. a. Hesepertwist und Rühlertwist, Hebelermeer, Rütenbrock und Lindloh, die alle noch im heutigen Moorgebiet liegen. Über den wirtschaftlichen Erfolg dieser ersten Moorkolonisten schreibt SCHOENINGH (1911): "Doch die Brandkultur, der damals allein mögliche Wirtschaftsbetrieb, konnte niemals eine gesunde Grundlage für ein gedeihliches Fortblühen bieten. Das Interesse der wechselnden Regierungen nahm bald ab, häufige Mißernten und nicht zuletzt die überaus trostlosen Wegeverhältnisse, durch die die Kolonien oft Monate hindurch von allem Wagenverkehr abgeschlossen waren, taten das ihrige, um einen rapiden Verfall der Kolonien herbeizuführen". Hier das holländische Vorbild der Fehnkultur mit ihrem ausgebauten Wasser- und Landwegenetz zu übernehmen, war aus mannigfaltigen Gründen nicht möglich (Lit.: WINTERBERG 1957).
Um 1870 war die Not am größten, und zahlreiche Siedler wanderten in die blühenden holländischen Fehngebiete aus. Unter diesem Druck beschloß die preußische Regierung auf Anregung des Vorsitzenden der Central-Moorkommission, des Ministerial-Directors MARCARD, das linksemsische Kanalsystem auszubauen, um zunächst wenigstens die wasser- und transportwirtschaftlichen Voraussetzungen zu meliorieren. In den Jahren 1884 bis 1900 wurden so u. a. der Süd-Nord-Kanal, der Haren-Rütenbrocker-Kanal und der Hoogeveen-Kanal fertiggestellt. Aber selbst diesen aufwendigen Maßnahmen war noch kein durchschlagender Erfolg beschieden. 1890 wurde mit der Gründung von Fehndorf der Versuch gemacht, Fehnkulturen nach holländischem Vorbild anzulegen.
1875 gründete der k. k. Artilleriehauptmann a. D. SCHOENINGH zusammen mit seinem Bruder, dem Verlagsbuchhändler F. SCHOENINGH, auf privat erworbenem Moorland die Kolonie Schöninghsdorf (Lit.: SCHOE NINGH 1904). 1888 kaufte der hannoversche Provinziallandtag östlich anschließend 1600 Morgen Hochmoor, auf dem die Siedlung "Provinzialmoor" eingerichtet wurde. Beide Siedlungen wurden 1904 zur Gemeinde Schöninghsdorf zusammengeschlossen.
Erst das Aufkommen der mineralischen Düngung und die Forschungsergebnisse der 1877 gegründeten Moorversuchsstation in Bremen führten kurz vor der Jahrhundertwende zu wirtschaftlichen Besserungen.
Um 1905 hielt der industrielle Torfabbau Einzug in das B. M., zunächst durch holländische Unternehmer. 1913 wurde das für die Entwicklung von Abbaumaschinen in aller Welt berühmt gewordene Heseper Torfwerk (heute Klasmann-Werke) gegründet, das dann seit 1924 ein eigens errichtetes 32-MW-Torfkraftwerk in Rühle bei Meppen mit jährlich 115 000 t Brenntorf zu beliefern hatte. Das Torfkraftwerk ist Anfang der siebziger Jahre stillgelegt worden. Der Schwarztorf geht heute vornehmlich in die Torfkoksproduktion der holländischen NORIT-Werke. Gegenwärtig sind im B. M. zahlreiche große bis kleinste Betriebe mit dem Abbau von Schwarztorf und Weißtorf befaßt.
Von einer großräumigen und tiefgreifenden Kolonisierung des B. M. kann man erst seit den zwanziger Jahren, nämlich mit umfangreichen Aufkäufen durch den Staat und der Einrichtung einer Staatlichen Mooradministration sprechen. So wurden bis 1945 durch den Reichsarbeitsdienst und durch den Einsatz von Strafgefangenen (wobei hier zeitweilig bis zu 20 000 Menschen beschäftigt waren), ca. 2000 ha kultiviert, Straßen und Vorfluter angelegt.
Nach 1945 wurde auch das Emsland von heimatlos gewordenen Bauernfamilien überschwemmt, die ihre Hoffnung auf die Ödlandflächen setzten. So stellte 1949 der Osnabrücker Regierungspräsident einen Zehnjahresplan zur endgültigen Erschließung des Emslandes auf. Die mannigfaltigen Fachaufgaben wurden dabei in der 1950 gegründeten Emsland GmbH, an der der Bund, das Land Niedersachsen und die Kreise beteiligt waren, koordiniert. Bis 1954 wurden so fast 14 000 ha über die Hannoversche Siedlungsgesellschaft im B. M. staatlich aufgesiedelt. Auf flachgründigem Moor bevorzugte man hier, im Gegensatz zu holländischen Fehnkulturverfahren, die unter Einsatz der bis über 2 m tief reichenden Ottomeyer-Pflüge angelegten Sandmischkulturen. Ein Freilichtmuseum mit diesen gigantischen Kultivierungsmaschinen befindet sich heute in der Nähe des Klasmann-Torfwerkes. Flächen mit mehr als 1,5 m Torfprofil wurden nach den Empfehlungen der Moorversuchs-Station Bremen gedränt und als "Deutsche Hochmoorkulturen" erschlossen.
Seit 1942 arbeitet die Erdölindustrie im B. M. Auch dadurch ist, unmittelbar und mittelbar, die Kolonisation erheblich weiter gefördert worden.
Heute ist das B. M. eine Kulturlandschaft, die den Vergleich mit dem holländischen Nachbargebiet nicht zu scheuen braucht. Vielleicht ist das Prinzip der Wirtschaftlichkeit sogar etwas zu weit in den Vordergrund getreten gegenüber den Vorstellungen einer harmonischen Landschaftsgestaltung. Jüngste Bestrebungen des amtlichen Landschaftsschutzes und von Einwohnergruppen versuchen deshalb, von den kleinen Resten an Ödland noch etwas zu bewahren, damit der Nachwelt ein, wenn auch nur noch schwächlicher, Eindruck von dem Charakter dieser einst grandiosen Moorlandschaft überliefert bleibt.
Für die spezielle Beschreibung des B. M. unterscheiden wir im folgenden drei Teilgebiete:
A. Das nördliche Bourtanger Moor
Beschreibungsbereich von Lindloh im Norden bis zur neuen Schnellstraße Zwartemeer - Meppen im Süden.
B. Das mittlere Bourtanger Moor
Beschreibungsbereich von der Schnellstraße Zwartemeer - Meppen im Norden bis zur Straße Nieuw Schoonebeek- Rühlertwist- Rühlerfeld - Meppen im Süden.
C. Das südliche Bourtanger Moor
Beschreibungsbereich von der Straße Nieuw Schoonebeek - Meppen im Norden bis Georgsdorf/Füchtenfeld im Süden.

TK25:

Bl. Twist (3308), Meppen (3309), Wietmarschen (3408), Lingen/Ems (3409).

Größe:

85,9 qkm, davon 82,5 qkm Hochmoor, 3,4 qkm Niedermoor.

Teilnamen:

Rühler Moor, Klein-Heseper-Moor, Groß-Heseper Moor (nordöstliches Viertel, in der Reihenfolge von Norden nach Süden), Dalumer Moor, Wietmarscher Moor (südöstliches Viertel, in der Reihenfolge von Norden nach Süden).

Kartierung:

BIRKHOLZ, SCHNEEKLOTH 1979 (Übersichtsaufnahme).

Erschließung und Nutzung:

Die das Flüßchen Grenzaa begleitenden Niedermoorflächen sind altkultiviertes landwirtschaftlich intensiv genutztes Gebiet. Entwässerung und Zuwegung gut ausgebaut. Im Durchschnitt 40 % Acker, 60 % Grünland, wobei der Grünlandanteil mit zunehmender Entfernung von den Siedlungen bis auf 100 % zunimmt.
Hochmoorflächen durch Kanäle, Straßen mit den daran gelegenen Siedlungszeilen sowie durch größere abgetorfte Flächen stark gegliedert. Östliches Drittel fast ausschließlich industrielles Torfstichgelände der KLASMANN-Werke und der Firma HOLTHAUS & FORTMANN. In den westlichen zwei Dritteln hinter den Siedlungszeilen zunächst auf meist 1 - 2 km landwirtschaftliche Nutzfläche, im zentralen Bereich dann industrielles Torfstichgelände der Firmen BRILL, WÜPKES, BOUWHUIS, de VRIES sowie einiger Kleintorfwerke bzw. bäuerlicher Unternehmen. Von der gesamten Hochmoorfläche sind 43,4 qkm industrieller Torfstich (je etwa zur Hälfte Weißtorf- und Schwarztorfabbau), 32,0 qkm landwirtschaftliche Nutzfläche, 7,1 qkm Ödland (einschließlich des 0,3 qkm großen Naturschutzgebietes "Meerkolk" im Heseper Moor). Ödlandflächen am West- und Südrand des Beschreibungsgebietes verbreitet mit bäuerlichem Torfstich. Landwirtschaftliche Nutzflächen meist kleinparzelliert (lange schmale Parzellen hinter den Höfen). Feldwegenetz in der westlichen Hälfte im allgemeinen schlecht, in der östlichen Hälfte mäßig ausgebaut (Fahrwege entlang der Parzellengrenzen). Entwässerung mäßig bis gut, mit wenigen tief ausgebauten Gräben. In der südlichen Hälfte des mittleren Drittels mehrere Baumschulgärtnereien. Im Klein-Heseper Moor zahlreiche Erdölförderungsanlagen mit gut ausgebauten Zufahrtswegen, im westlichen Viertel mehrere Erdgasanlagen. Im Gegensatz zum mittleren und nördlichen Bourtanger Moor hier hoher Anteil industriellen Torfstiches sowie durchweg altes bäuerliches Siedlungsgebiet. Ursprüngliche Hochmoorfläche durch Abtorfung und Anlage von Sandmischkulturen (Nordostviertel) stark reduziert.

Bewuchs:

Landwirtschaftlicher Nutzflächen im Gesamtdurchschnitt 40 % Acker, 60 % Grünland; an den Feldwegen verbreitet Birkenreihen und -gebüsch. Ödlandflächen überwiegend mehr oder weniger dichter Birkenbruchwald über Molinia und Ericaceen; flächenweise, insbesondere in der Umgebung der Torfwerksgebiete, Molinia ohne Baumbestand.
Naturschutzgebiet Meerkolk: Größtenteils Ericaceen-Molinia-Fläche mit einzelnen Birken; im ehemaligen Kolk Schwingdecke mit Erica, etwas Molinia, Rhynchospora alba, Drosera, Andromeda, Narthecium, Eriophorum vaginatum, Sphagnum papillosum u. a. rasenbildenden Sphagnen.
Ödlandgebiet im Dalumer Moor (an der Südostecke der großen ausgetorften Fläche des Groß-Heseper Moores) mit Erica, etwas Molinia und Calluna, einzelnen Birken und Kiefern.

Mooruntergrund:

Schwachwelliges Relief. Im wesentlichen Feinsand, verbreitet podsoliert. Nur unregelmäßig Schichten mit Mittel- bis Grobsand oder schluffigen Lagen.

Mächtigkeit:

Niedermoorflächen überwiegend weniger als 1 m. Östlich des Süd-Nord Kanales jedoch meist 1 - 1,5 m. Hochmoorflächen weit überwiegend 2 - 3 m. Weniger als 2 m nur auf einem schmalen, max. 250 m breiten Randstreifen. 3 - 4 m flächenhaft im Wietmarscher Moor (Weißtorfstichgebiet der Klasmann-Werke und des Torfwerkes de Vries, südöstliches Viertel) sowie im Klein-Heseper Moor (Abbaugebiet der Klasmann-Werke im Nordostviertel des Beschreibungsgebietes).

Schichtaufbau:

Niedermoorflächen überwiegend mit stark zersetztem Seggentorf mit wenig Holzgehalt. In mehr als 1 m Tiefenlage verbreitet Erlenbruchwaldtorf.
Hochmoorflächen auf etwa 2/3 des Gebietes zuunterst 1 - 5 dm, stellenweise bis 1 m stark zersetzter Seggentorf mit gelegentlichen Birkenholzresten und Braunmoostorflagen. Dieser basale Niedermoortorf begleitet die Grenzaa beiderseitig auf je etwa 1 km Breite, verläuft mit einem 1,5 km breiten Band in Nord-Süd-Richtung mitten durch das westliche Drittel des Beschreibungsgebietes und kommt nahezu überall im östlichen Drittel vor. Darüber, bzw. über dem Sanduntergrund, überall mittel bis stark zersetzter Sphagnum-Torf (Schwarztorf). Schwarztorfmächtigkeit auf einem nur 200 m bis max. 700 m breiten Streifen am Rand des Beschreibungsgebietes weniger als 1 m, sonst im allgemeinen 1 - 2 m, kleinflächig bis 3 m. Schwarztorfvorräte noch ca. 81 Millionen cbm Frischtorf. Darüber auf etwa 40 qkm schwach bis mittel zersetzter Sphagnum-Torf (Weißtorf), vornehmlich aus Sphagna Cymbifolia. Weißtorfmächtigkeit im allgemeinen 0,6 - 1,2 m, max. 1,4 m. Die Weißtorfvorkommen liegen im wesentlichen westlich einer Linie, die von der Kreuzung des Süd-Nord-Kanales mit der Straße Nieuw Schoonebeek - Meppen auf die Südostecke des Beschreibungsgebietes (Dalum Feld) verläuft. Weißtorfvorräte noch ca. 40 Millionen cbm Frischtorf.
Profilaufbau inmitten des verlandeten Meerkolkes (heute Naturschutzgebiet): Über hellem Feinsand zunächst 0,4 m Birkenbruchwaldtorf, darüber 0,1 m mittel zersetzter Cuspidatatorf, darüber 2,9 m wässrige, homogene Torfmudde, zuoberst 0,3 m Schwingrasen. Profilaufbau 275 m weiter westlich: Über hellem Feinsand zuunterst 0,7 m stark zersetzter Seggentorf mit etwas Holzresten und Menyanthes-Samen, darüber 0,6 m stark zersetzter Cuspidatatorf, darüber 0,8 m Schwarztorf, darüber 2 m Weißtorf (einschließlich oberster Verwitterungsdecke). Da der Schwingrasen des Meerkolkes ca. 1,5 m unterhalb der Geländeoberflächedes übrigen Moores liegt, erweist sich die Bildung des ehemaligen Moorsees als Folge einer Untergrundmulde bereits zum Zeitpunkt des Beginns der Hochmoorbildung. Das Naturschutzgebiet Meerkolk ragt heute als 2 - 3 m hoher und 350 mal 800 m großer Restblock aus den umgebenden Sandmischkulturen.

Datierung:

Gemessen an der Größe des Bourtanger Moores ist hier hinsichtlich der frühen Vegetations- und Siedlungsgeschichte auffallend wenig gearbeitet worden. Seit den Untersuchungen von KOCH (1934 a, 1934 b, 1935) ist erst in jüngster Zeit wieder ein Profil am Südrand des Beschreibungsgebietes östlich von Füchtenfeld bearbeitet worden (Lit. ISENBERG 1979). Dieses Profil wurde an der Basis mit ca. 2700 Jahre vor Chr. pollenanalytisch datiert. ISENBERG widmet sich in dieser Arbeit besonders der pollenanalytisch nachweisbaren Siedlungsgeschichte.

Fotos von Barbara und Eckhard Schmatzler stammen aus der Veröffentlichung Schmatzler, B. & Schmatzler, E. (2010). Moorland: Moorlandschaften in Niedersachsen nach industriellem Torfabbau. Ratingen: Industrieverband Garten e.V.