908. Die große Oberharzer Flächenvermoorung

908/22. Bodemoor

Allgemeine Beschreibung:

Das Moorgebiet erstreckt sich in geschlossener Fläche vom Acker über Bruchberg bis hin zum Brockenfeld.
Die starke Vermoorung im Oberharz, auch dort, wo das Relief die Voraussetzungen für Moorbildungen nicht zu bieten scheint, geht auf die hier hohen Niederschläge von 1400 - 1700 mm/Jahr bei einer durchschnittlichen relativen Luftfeuchte von 80 - 85 % zurück. Von den oben genannten 14 qkm Gesamtfläche sind rund 4 qkm baumfreie und meist mehrere Meter mächtige Hochmoore und rund 10 qkm vermoorte Gebiete unter Fichtenwald.
Hochmoore mit der typischen Oberflächenaufwölbung über ebenem Untergrund sind hier selten. Meist handelt es sich um Hang-, Sattel- und Kammvermoorungen, oft als Mischformen, von schwer abgrenzbarer ombrogener bis soligener Entstehung. Nach Lit. JENSEN (1961) dürften die pH­Werte der Moorwässer durchweg sehr niedrig liegen: Unter Hochmoorvegetation erwartungsgemäß bei 3,7 - 4,0, aber auch unter Niedermoorvegetation bei 3,5 - 3,7. In Abflüssen aus versumpftem Fichtenwald wurden pH 3,2 - 3,6 gemessen.
Bezüglich der Klassifizierung der Moore, haben wir uns deshalb in der Gliederung Hochmoor/Niedermoor (hier besser: ombrotrophe/minerotrophe Moorbildung) auf die im Gelände aufgrund der fossilen Pflanzenreste bestimmbaren Torfarten gestützt. Nur so ließ sich innerhalb der vorliegenden Schriftenreihe über die Moore Niedersachsens eine einigermaßen konsequente Terminologie durchhalten.
Nördlich der Linie Bruchbergkamm - Wolfswarte - Magdbett - Hopfensäcke - Eckersprung entwässert das Moorgebiet 908 über Ecker und Radau in die Oker/Aller/Weser, südlich dieser Linie über Oder und Sieber in die Weser. Südöstlich einer Wasserscheide Achtermann - Oderbrück - Dreieckiger Pfahl entwässert das Moorgebiet 908 über die Bode zur Elbe.
Der schon sehr früh einsetzende Torfabbau im Oberharz hängt eng mit dem Bergbau zusammen. 1571 ließ Herzog Julius von Braunschweig Untersuchungen über die Verwendungsmöglichkeit des Torfes als Brennmaterial für die Verhüttung der Erze anstellen. Es kam für kurze Zeit zum Torfabbau und zur Errichtung der ersten Torftrockenhäuser am Radauer Born (Moor 908/15). Wegen hoher Lohn- und Transportkosten und der in diesem Klima sehr problematischen Torftrocknung wurde der Abbau bald wieder aufgegeben. Erst ab 1714 versuchte man erneut den Torf zu nutzen, diesmal sogar in Meilern zur Gewinnung von Torfkoks. Von den von Oberforstmeister VON ZANTHIER konstruierten, eisernen und in eine Steinfassung gesetzten Retorten waren zeitweilig 40 in Betrieb. 1786 wurde der Torfabbau jedoch wiederum stillgelegt. Spätere Ansätze zur Torfgewinnung oder auch zur Umwandlung einiger Moore in Viehweiden blieben meist im Planungsstadium stecken. Lediglich auf dem Acker (Moor 908/1e) wurde zwischen 1929 und 1970 Torf in nennenswerter Menge für medizinische Zwecke (Moorbad Bad Grund) abgebaut.
So kommt es, dass wir den größten Teil der Oberharzer Moore heute noch in einigermaßen natürlichem Zustand vorfinden. Allerdings ist auch eine intensive Forstwirtschaft im 19. Jahrhundert nicht ohne Folgen geblieben. Zu jener Zeit wurden auf vermoorten, insbesondere niedermoorartigen Flächen umfangreiche Entwässerungssysteme angelegt. Durch Aufforstungen verringerte sich das Areal baumfreier Moorflächen erheblich. Mit dem Verfall der Grabensysteme vernässen viele dieser Waldflächen wieder und werden in lichte Moorflächen rückverwandelt. Das gesamte Moor 908 gehört heute zum Naturschutzgebiet Oberharz.
Im Zusammenhang mit dem Bergbau wurden im Oberharz vom 17. bis zum 19. Jahrhundert über 60 Teiche mit einem Gesamtstauraum von mehr als 8 Millionen cbm und 212 ha Fläche angelegt. Die frühere Vorstellung, dass die im Einzugsbereich dieser Teiche liegenden Moore ein über das ganze Jahr anzapfbares Wasserreservoir bildeten, ist inzwischen durch eingehende Untersuchungen widerlegt.
Eine klare Abgrenzung von Teilgebieten innerhalb des großen Moorkomplexes Nr. 908 ist erstmalig in Lit. HUECK (1928) zu finden. HUECK hat den von ihm untersuchten Moorgebieten fortlaufende Nummern gegeben. An diese Nummerierung hält sich, mit einigen Ergänzungen zusätzlich untersuchter Moorgebiete, auch die neueste Arbeit von JENSEN. Auch wir haben hier diese Nummerierung übernommen, so dass z.B. unser Teilgebiet 908/15 mit dem Moor Nr. 15 bei HUECK und JENSEN im wesentlichen identisch ist. Fast alle diese Teilgebiete enthalten mehr oder weniger große, waldfreie Hochmoorflächen. Benachbarte, großflächig vermoorte Waldflächen sind mit den Indices a, b, c, d, e bezeichnet worden. Ihre Grenzen folgen vielfach Bachläufen, Gräben oder auffälligen Vegetationsgrenzen.
Die äußere Moorgrenze ist hier durch eine Torfauflage von mindestens 30 cm Mächtigkeit definiert und entspricht faktisch der von JENSEN kartierten Grenze zwischen der Vegetation auf Moor- und Mineralbodenstandorten. Die Angaben HUECKs sind enger gefaßt und beschränken sich mehr oder weniger auf die waldfreien Moorgebiete.

TK25: Detailkarte zur Lage der Moorteilgebiete 14, 17, 18, 18A, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27 und 27A des Harzer Moorkomplexes (908)

Bl. Braunlage (4229).

Größe:

0,31 qkm. Hochmoor.

Kartierung:

JENSEN 1970-75 (Moorgrenzen, Peilungen, Vegetation), SCHNEEKLOTH 1981 (Profilbohrungen).

Erschließung und Nutzung:

Südöstliche Hälfte in nahezu ganzem Umfang baumfreie bis baumarme Hochfläche mit Randgehänge besonders an Nord- und Ostseite. Am Nordwestrand von 908/22 auf ca. 5 ha sehr lockerer Fichtenbestand. Alles übrige forstlich genutzt. Entwässerung durch wenige unbedeutende Gräben vom westlichen Randgebiet zur Oder, hauptsächlich aber nach Osten zur Großen Bode (hier die "Quelle" der Großen Bode). Zwei Einsturztrichter zeugen von unterirdischem Wasserabfluß. Im Zentrum des östlichen Drittels in West­Ost-Verlauf eine auffallende Erosionsrinne.

Bewuchs:

Die z. T. urwaldartigen, versumpften Fichtenwälder nördlich der offenen Hochfläche sind reich an Laub- und Lebermoosen aus den Gattungen Dicranum, Plagiothecium, Polytrichum, Sphagnum, Lophozia, Barbilophozia, Bazzania, Calypogeia und Cephalozia. Die trockeneren Ausbildungen am Gehänge des Hochflächenrandes und der Waldrüllen sind besonders durch Deschampsia flexuosa und - insbesondere an lichten Stellen - Vaccinium myrtillus gekennzeichnet. Im nordwestlichen Randgebiet von 908/22 liegt inmitten von Sumpfwäldern eine baumarme Fläche, deren Aspekt Molinia coerula, Sphagnum recurvum und Polytrichum commune bestimmen. Der Erosionskomplex innerhalb der Hochfläche ist stark ausgeprägt: Auf den durch tiefe Erosionsrinnen entwässerten Torfhügeln dominiert eine Calluna-reiche Flechtenflora (neben Cladonia chlorophaea, C. squamosa, C. uncialis, C. floerkeana, C. incrassata und C. digitata insbesondere Cetraria islandica, Cladonia arbuscula und C. rangiferina). Die Pflanzendecke der Hochfläche selbst hat vorwiegend Hochmoorcharakter mit wachstums- bis stillstandsartiger Komplexstruktur. Am Südrand eine kleine Betula nana­Siedlung.

Mooruntergrund:

Tonig-schluffige Verwitterungsdecke mit Steinen über Granit. Sattelmoor.

Mächtigkeit:

Auf der Hochfläche der südöstlichen Hälfte meist 2,5 - 3,5 m, kleinflächig darüber bis max. 4,8 m. Auf der schwach bewaldeten Fläche am Nordwestrand des Moorgebietes 908/22 1 - 1,5 m. Im übrigen weniger als 1 m mit kleinen Mineralbodeninseln.

Schichtaufbau:

Auf der Hochfläche zuoberst 1 -2 m schwach bis mittel zersetzter Acutifoliatorf mit Wollgrasresten; stellenweise in den obersten 1 - 2 dm auch Seggenreste; vereinzelt Cuspidata-Zwischenlagen oder in größerer Tiefe auch Zwischenlagen von stärker zersetztem Sphagnum-Torf; darunter stark zersetzter Sphagnum-Torf mit Wollgrasresten. Auf der schwach bewaldeten Fläche am Nordwestrand einige dm schwach zersetzter Acutifoliatorf über stark zersetztem Sphagnum-Eriophorum-Torf.

Datierung:

Beginn der Vermoorung nach pollenanalytischen Untersuchungen um 3500 Jahre vor Chr. (HENRION, unveröffentlicht, Abt. f. Palynologie, Universität Göttingen).