908. Die große Oberharzer Flächenvermoorung

908/27. Brockenfeldmoor

Allgemeine Beschreibung:

Das Moorgebiet erstreckt sich in geschlossener Fläche vom Acker über Bruchberg bis hin zum Brockenfeld.
Die starke Vermoorung im Oberharz, auch dort, wo das Relief die Voraussetzungen für Moorbildungen nicht zu bieten scheint, geht auf die hier hohen Niederschläge von 1400 - 1700 mm/Jahr bei einer durchschnittlichen relativen Luftfeuchte von 80 - 85 % zurück. Von den oben genannten 14 qkm Gesamtfläche sind rund 4 qkm baumfreie und meist mehrere Meter mächtige Hochmoore und rund 10 qkm vermoorte Gebiete unter Fichtenwald.
Hochmoore mit der typischen Oberflächenaufwölbung über ebenem Untergrund sind hier selten. Meist handelt es sich um Hang-, Sattel- und Kammvermoorungen, oft als Mischformen, von schwer abgrenzbarer ombrogener bis soligener Entstehung. Nach Lit. JENSEN (1961) dürften die pH­Werte der Moorwässer durchweg sehr niedrig liegen: Unter Hochmoorvegetation erwartungsgemäß bei 3,7 - 4,0, aber auch unter Niedermoorvegetation bei 3,5 - 3,7. In Abflüssen aus versumpftem Fichtenwald wurden pH 3,2 - 3,6 gemessen.
Bezüglich der Klassifizierung der Moore, haben wir uns deshalb in der Gliederung Hochmoor/Niedermoor (hier besser: ombrotrophe/minerotrophe Moorbildung) auf die im Gelände aufgrund der fossilen Pflanzenreste bestimmbaren Torfarten gestützt. Nur so ließ sich innerhalb der vorliegenden Schriftenreihe über die Moore Niedersachsens eine einigermaßen konsequente Terminologie durchhalten.
Nördlich der Linie Bruchbergkamm - Wolfswarte - Magdbett - Hopfensäcke - Eckersprung entwässert das Moorgebiet 908 über Ecker und Radau in die Oker/Aller/Weser, südlich dieser Linie über Oder und Sieber in die Weser. Südöstlich einer Wasserscheide Achtermann - Oderbrück - Dreieckiger Pfahl entwässert das Moorgebiet 908 über die Bode zur Elbe.
Der schon sehr früh einsetzende Torfabbau im Oberharz hängt eng mit dem Bergbau zusammen. 1571 ließ Herzog Julius von Braunschweig Untersuchungen über die Verwendungsmöglichkeit des Torfes als Brennmaterial für die Verhüttung der Erze anstellen. Es kam für kurze Zeit zum Torfabbau und zur Errichtung der ersten Torftrockenhäuser am Radauer Born (Moor 908/15). Wegen hoher Lohn- und Transportkosten und der in diesem Klima sehr problematischen Torftrocknung wurde der Abbau bald wieder aufgegeben. Erst ab 1714 versuchte man erneut den Torf zu nutzen, diesmal sogar in Meilern zur Gewinnung von Torfkoks. Von den von Oberforstmeister VON ZANTHIER konstruierten, eisernen und in eine Steinfassung gesetzten Retorten waren zeitweilig 40 in Betrieb. 1786 wurde der Torfabbau jedoch wiederum stillgelegt. Spätere Ansätze zur Torfgewinnung oder auch zur Umwandlung einiger Moore in Viehweiden blieben meist im Planungsstadium stecken. Lediglich auf dem Acker (Moor 908/1e) wurde zwischen 1929 und 1970 Torf in nennenswerter Menge für medizinische Zwecke (Moorbad Bad Grund) abgebaut.
So kommt es, dass wir den größten Teil der Oberharzer Moore heute noch in einigermaßen natürlichem Zustand vorfinden. Allerdings ist auch eine intensive Forstwirtschaft im 19. Jahrhundert nicht ohne Folgen geblieben. Zu jener Zeit wurden auf vermoorten, insbesondere niedermoorartigen Flächen umfangreiche Entwässerungssysteme angelegt. Durch Aufforstungen verringerte sich das Areal baumfreier Moorflächen erheblich. Mit dem Verfall der Grabensysteme vernässen viele dieser Waldflächen wieder und werden in lichte Moorflächen rückverwandelt. Das gesamte Moor 908 gehört heute zum Naturschutzgebiet Oberharz.
Im Zusammenhang mit dem Bergbau wurden im Oberharz vom 17. bis zum 19. Jahrhundert über 60 Teiche mit einem Gesamtstauraum von mehr als 8 Millionen cbm und 212 ha Fläche angelegt. Die frühere Vorstellung, dass die im Einzugsbereich dieser Teiche liegenden Moore ein über das ganze Jahr anzapfbares Wasserreservoir bildeten, ist inzwischen durch eingehende Untersuchungen widerlegt.
Eine klare Abgrenzung von Teilgebieten innerhalb des großen Moorkomplexes Nr. 908 ist erstmalig in Lit. HUECK (1928) zu finden. HUECK hat den von ihm untersuchten Moorgebieten fortlaufende Nummern gegeben. An diese Nummerierung hält sich, mit einigen Ergänzungen zusätzlich untersuchter Moorgebiete, auch die neueste Arbeit von JENSEN. Auch wir haben hier diese Nummerierung übernommen, so dass z.B. unser Teilgebiet 908/15 mit dem Moor Nr. 15 bei HUECK und JENSEN im wesentlichen identisch ist. Fast alle diese Teilgebiete enthalten mehr oder weniger große, waldfreie Hochmoorflächen. Benachbarte, großflächig vermoorte Waldflächen sind mit den Indices a, b, c, d, e bezeichnet worden. Ihre Grenzen folgen vielfach Bachläufen, Gräben oder auffälligen Vegetationsgrenzen.
Die äußere Moorgrenze ist hier durch eine Torfauflage von mindestens 30 cm Mächtigkeit definiert und entspricht faktisch der von JENSEN kartierten Grenze zwischen der Vegetation auf Moor- und Mineralbodenstandorten. Die Angaben HUECKs sind enger gefaßt und beschränken sich mehr oder weniger auf die waldfreien Moorgebiete.

TK25: Detailkarte zur Lage der Moorteilgebiete 14, 17, 18, 18A, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27 und 27A des Harzer Moorkomplexes (908)

Bl. Braunlage (4229).

Größe:

0,73 qkm. Hochmoor.

Kartierung:

JENSEN 1970 - 75 (Moorgrenzen, Peilungen, Vegetation), SCHNEEKLOTH 1981 (Profilbohrungen).
Das Moor läßt sich entsprechend seinen unterschiedlichen morphologischen und ökologischen Gegebenheiten in 4 Teile gliedern:
Moorteil A: Die nördliche Hälfte bis an die Grenze zwischen den Jagen 225 und 218.
Moorteil B: Südlich von A bis etwa an die 880-m-Höhenlinie in der TK25.
Moorteil C: Gebiet südlich der Mineralboden-Waldinsel.
Moorteil D: Gebiet östlich und nördlich der Mineralboden-Waldinsel.

Erschließung und Nutzung:

Fast in ganzer Fläche baumfreies bis baumarmes Moorgebiet. Nur am Nordwest- (Jagen 244) und Südostrand kleinflächig forstlich extensiv genutzt. Zugang am besten von Südwesten von der Schierker Straße. Dort kleine Reste ehemaligen Torfstiches. Randgehänge im allgemeinen nur schwach ausgebildet. Im Moorteil A entspringt die Abbe, verlängert nach Südosten durch den Abbe-Moorgraben. Dieser und einige andere Gräben entwässern im wesentlichen nach Nordwesten zur Abbe und nach Südwesten zur Oder, der Südostrand in die Kalte Bode. Etwa 10 kleine Einsturztrichter zeugen von unterirdischem Wasserabfluß. Im Moorteil C ein 25 x 15 m großer Teich mit 2 - 3 m Wassertiefe. 1958-1970 hydrologische Untersuchungen im Moorteil A, nach denen der Hauptwasserabfluß im Frühjahr stattfindet (kein die Bäche speisendes Wasserreservoir über das ganze Jahr!), Lit. UHDEN 1972. Moor insgesamt landschaftlich sehr reizvoll.

Bewuchs:

Moorteil A: Auf der hochgelegenen Sattelfläche am Nordostrand laggartige Vegetation mit Molinia coerulea, Carex rostrata, C. fusca und großflächig mit Eriophorum angustifolium. Zum Zentrum des Moorteiles hin nimmt der soligene Charakter rasch ab und macht großflächig entwickelten Hochmoor-Wachstumskomplexen, -Stillstandskomplexen und sogar einem kleinen Erosionskomplex Platz. In den Wachstumskomplexen dominieren Sphagnum magellanicum und Eriophorum vaginatum. Schwach soligener Einfluß macht sich durch vereinzeltes Auftreten von Sphagnum balticum, Sph. recurvum ssp. apiculatum, Polytrichum commune, Carex pauciflora und Deschampsia flexuosa bemerkbar. Auf den Stillstandsflächen dominieren Trichophorum cespitosum und Calluna vulgaris. Beginnendes Wachstum erzeugt auffallende Bult-Schlenken-Strukturen. In einigen Sehlenken kommt Carex limosa vor. Hohe Bulten, meist aus Sphagnum nemoreum oder Sph. fuscum, sind flechtenreich (u. a. Cladonia arbuscula, Cl. rangiferina, Cetraria islandica). Im Südwesten des Moorteiles A eine tiefliegende, nasse Fläche (eines der Abbe-Quellgebiete) und zwei davon abgetrennte Hochmoorkörper, von denen der eine, durch Randgräben entwässert, eine stillstandsartige Hochmoorvegetation, der andere Fichtenmoorwald trägt. Im Moortei1 B westlich bis nordwestlich der mineralischen Waldinsel ein soligenes Gebiet mit Molinia coerulea-Beständen bis zu Polytrichum strictum-Matten mit Carex pauciflora. Weiter südwestlich davon verschiedenartigste, zumeist Hochmoor-Komplexe, von Zwergstrauchvegetation umgürtelt. Im Moortei1 C mit stark vernässendem Hangmoorcharakter treten Hochmoorausbildungen zurück. Um den Teich herum ein besonders schlenkenreiches, nasses Moorgebiet. Die im Harz seltene Erica tetralix hat kleine Vorkommen auf den Moorteilen A und D.

Mooruntergrund:

Tonig-schluffige Verwitterungsdecke mit Steinen, z. T. rostbraun verfärbt, über Granit. Sattel- und Hangmoor.

Mächtigkeit:

Südöstliche Hälfte (etwa Moorteile B, C und D) meist 1 - 2 m; in der Umgebung des Teiches auf ca. 1/2 ha bis 3,5 m. Im Jagen 225 und 243 des Moorteiles A meist 2 - 4 m, max. 4,8 m! Im Jagen 244 (nordwestliches Randgebiet) meist um 1 m, bis 1,5 m nachgewiesen.

Schichtaufbau:

Zuunterst flächenweise 1 - 3 dm stark zersetzter, meist fester Seggentorf mit Holzresten. Darüber bis zu 7 dm stark bis mittel zersetzter Sphagnum­ Torf mit viel Wollgrasresten. Darüber, je nach Gesamtmächtigkeit, bis zu 3 m schwach zersetzter, meist sehr wasserreicher Acutifoliatorf, verbreitet mit viel Wollgrasresten. Auffallend ist in diesem Moor die ungewöhnlich hohe Weißtorfmächtigkeit!

Datierung:

Beginn der großflächigen Vermoorung nach pollenanalytischen Untersuchungen ab 3000 Jahre vor Chr., kleinflächig schon ab 6000 Jahre vor Chr. (BEUG, unveröffentlicht, Abt. f. Palynologie, Universität Göttingen).