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Beziehung zu den Mooren in der Vorgeschichte

Moore sind mystifizierte Orte, als große Feuchtgebietskomplexe auf dem Festland aufgewachsen, mit ihrem schwarzen, torfig-schlammigen Untergrund, Nebelschwaden über freien Wasserflächen, zwischen denen eine sonderbare moosige Pflanzenwelt gedeiht. „Schaurig ist‘s übers Moor zu gehen…“ schrieb Anette von Droste-Hülshoff (1842) in ihrer Ballade „Der Knabe im Moor“. Aber wie haben Moore auf die Menschen der Vorgeschichte gewirkt? Wahrscheinlich ähnlich angsteinflößend wie noch in der Mitte des 19. Jahrhundert. Vielerorts haben frühere Kulturen an rituellen Kultplätzen, den im Moor lebenden Geistern oder Naturgöttern Gaben dargebracht. Germanische und slawische Völker errichteten mehrfach menschenähnliche, hölzerne Pfahlidole oder Pfahlgottheiten in Opfermooren und an Moorwegen. Durch den Torf sind sie bis heute konserviert worden und gewähren so einen Einblick in die Beziehung von Mensch und Moor in der vorgeschichtlichen Zeit [4, 20].

 

In der Vergangenheit waren die Hochmoore vor allem schwer passierbare, räumliche Hindernisse. Sie wuchsen über die Zeit auf, vergrößerten sich und verschlangen manchmal ganze Siedlungen [3]. Um ein solches Moor zu durchqueren, musste entweder von Bult zu Bult gesprungen oder auf strenge Fröste gewartet werden, welche die Mooroberfläche gefrieren ließen. Aber selbst dann war ein guter Orientierungssinn von Nöten, um sich im uhrglasförmig aufgewölbten Moor mit seinen Komplexen aus erhöhten Bulten und tiefen, nassen Schlenken sowie Moorseen nicht zu verlaufen. Den Mythen nach sollen herumirrende Geister und Irrlichter versucht haben, arglose Wandernde vom richtigen Weg abzubringen. Irrlichter, auch bekannt als „Irrwische“, „Tückebolde“ oder „Lüchtenmänneken“ sind mystische Wesen, die in Sümpfen und Mooren ihr Unwesen getrieben haben sollen [12].  Besonders deutlich wird ihr Charakter in Hans-Christian Andersen (1865) Märchen: Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau.

 

Für die einfachere Überquerung der Moore wurden Bohlenwege angelegt. Der weltweit älteste „Moorweg“ wurde im Campemoor (243E.) gefunden und auf ca. 4.600 v. Chr. datiert [2]. Auf den Bohlenwegen war eine Überquerung der Moore einfacher und ermöglichte Handel und kulturellen Austausch zwischen den Siedlungen nahe der Moore. Insgesamt sind in den niedersächsischen Mooren mehr als 500 Bohlenwege aus verschiedenen Zeitepochen bekannt. An einigen Moorwegen wurden zudem Schutzpatrone aufgestellt. Das Götterpaar aus dem Wittemoor (329B.) zum Beispiel, wurde in der vorrömischen Eisenzeit als Wegweiser und Schutzpatrone beidseitig eines Moorweges aufgestellt [10]. Abseits der Wege hielten sich nur die Menschen auf, die sich etwas zu Schulden haben kommen lassen und sich dort versteckten. Das Antlitz des Moors war auch eine geeignete Szenerie für Hinrichtungen und Morde. Darauf deuten die vorwiegend gewaltsamen Tode einer Mehrzahl der gefundenen Moorleichen hin [20]. Mancherorts wurden Menschen auch im Moor bestattet, wie bei der im Großen Uchter Moor gefundene Moorleiche „Moora“ anzunehmen ist [1].

Literatur

[1] Bauerochse, A., Haßmann, H., Püschel, K., Schultz, M. (2018): „Moora“ – Das Mädchen aus dem Uchter Moor. Eine Moorleiche der Eisenzeit aus Niedersachsen II. Naturwissenschaftliche Ergebnisse Naturwissenschaftliche Ergebnisse. Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Vol. 47). Rahden/Westf.

[2] Bauerochse, A., Leuschner, H. H., & Metzler, A. (2012): Das Campemoor im Neolithikum. Jahrbuch für das Oldenburger Münsterland, 61, 135–154.

[3] Bauerochse, A., & Metzler, A. (2015): Moore als Archive der Natur- und Kulturgeschichte – das Arbeitsgebiet der Moorarchäologie. TELMA, 5, 93-112.

[4] Capelle, T. (1995): Antropomorphe Holzidole in Mittel- und Nordeuropa. Stockholm (Almquist & Wiksell International).

[5] de Klerk, P., Hettings, J., Musäus, I., & Joosten, H. (2022): Zitternde Böden und brennender Schlamm: Die Wahrnehmung von Moor und Torf bei den Römern. Telma (unveröffentlicht)

[6] Degner, J. H. (1731): Teutschlands neu-entdeckte Goldgrube. Frankfurt (Fleischer).

[7] Verein Deutscher Naturparke e.V. (2019): Strukturen, Leistungen und Perspektiven der Naturparke in Niedersachsen. Bonn (Verband Deutscher Naturparke e.V.). 

[8] Günther, J. (2012): Die Moorbrandkultur und der Buchweizenanbau als eine frühe Form der landwirtschaftlichen Hochmoornutzung in Nordwestdeutschland. TELMA, 42, 57 - 70.

[9] Haverkamp, M. (2011): Binnenkolonisierung, Moorkultivierung und Torfwirtschaft im Emsland unter besonderer Berücksichtigung des südlichen Bourtanger Moores – Entwicklungslinien und Forschungsstand. TELMA, 41, 257-282.

[10] Hayen, H. (1971): Hölzerne Kultfiguren am Bohlenweg XLII (IP) im Wittenmoor (Gemeinde Berne, Landkreis Wesermarsch). Die Kunde N.F:, 22, 88-123.

[11] NIBIS® Kartenserver (2022). Kohlenstoffreichen Böden 1 : 50 000 (BHK50). - Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG).

[12] Meyers Großes Konversations-Lexikon (1907): Irrlichter (Vol. 10). Leipzig.

[13] BTE Tourismus- und Regionalberatung PartG mbB (2016): Naturtourismus in Deutschland 2016. Berlin.

[14] Minßen, F.-J., Klinck, L., & Krause, A. (2022): Zukunft der Moorstandorte in Niedersachsen. Fakten, Fragen, Handlungsansätze. Ovelgünne (Grünlandzentrum Niedersachsen/Bremen e.V.). 

[15] Umweltkartenserver Niedersachsen (2022). Naturschutzrechtlich geschützte Moore.

[16] Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz (2016): Programm Niedersächsische Moorlandschaften. Hannover (Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz).

[17] Overbeck, F. (1979): Das Große Moorlied. TELMA, 9, 275-286.

[18] Schmatzler, B., & Schmatzler, E. (2010): Moorland. Moorlandschaften in Niedersachsen nach industriellem Torfabbau. Ratingen (Industrieverband Garten e.V.).

[19] Slofstra, B. & Hoeskstra, E. (2022): Sprachlehre des Saterfriesischen 2022. Saterland (Fryske Akademy-Nümer 1137).

[20] Succow, M. & Jeschke, L. (2022): Deutschlands Moore. Ihr Schicksal in unserer Kulturlandschaft. Rangsdorf (Natur+Text GmbH).

[21] Wiegand, C. (2019): Kulturlandschaftsräume und historische Kuturlandschaften landesweiter Bedeutung in Niedersachsen. Naturschutz und Landespflege in Niedersachsen, 49, 338.